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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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war gut tausend Fuß lang und dreihundert hoch (wobei ein Großteil der Höhe natürlich der Gasbehälter einnahm). Sie besaß drei Decks übereinander, unten lag die erste Klasse, die dritte ganz oben. Diese einzige Gondel war tatsächlich untrennbar mit der Hülle (wie man den Gasbehälter nannte) verbunden. Vorne in der sich verjüngenden Nase des Schiffes lag die Brücke, wo für die ganze komplizierte, maschinelle »Denkarbeit« des Schiffes ständig mehr als ein Dutzend Offiziere Dienst taten.
    Drei Anlegemaste benötigte die Lichter von Dresden , um sie am Boden zu sichern, und als ich sie auf dem Aeropark von Kalkutta (der eigentlich zehn Meilen außerhalb der Stadt liegt) zum erstenmal erblickte, blieb mir die Luft weg, denn neben ihr wirkten alle anderen Schiffe - und es lagen durchaus ein paar größere in der Nähe - wie Elritzen, die sich um einen Wal tummeln. Ich hatte bereits gehört, daß sie 400 Passagiere und 50 Tonnen Fracht befördern konnte. Als ich sie sah, konnte ich es glauben.
    Ein Lift beförderte mich mit einigen anderen Passagieren durch die Metallkäfige der Anlegetürme zur Einschiffung nach oben, von wo aus eine überdachte Gangway in den Korridor unterhalb der Schiffsbrücke führte. Ich reiste Erster Klasse zusammen mit meinem »Begleiter«, einem gewissen Leutnant Jagger, unter dessen Aufsicht ich bis zu unsrer Ankunft in London gestellt worden war. Die Annehmlichkeiten auf diesem Schiff waren so erstaunlich luxuriös und stellten alles in den Schatten, was man auf den erstklassigsten Ozeanriesen unserer Tage fand. Als ich mich umsah, begann ich mich ein wenig zu entspannen. Und als die Lichter von Dresden die Taue löste und so wunderbar würdevoll zum Himmel emporschwebte, fühlte ich mich fast sicherer als an Land.
    Die Fahrt von Kalkutta nach London dauerte mit kurzen Landungen in Karatschi und Aden nur 72 Stunden! Drei Tage, in welchen wir Indien, Afrika, Europa und drei große Ozeane bei allem möglichen Wetter überflogen. Ich sah Städte sich unter mir entfalten, sah Wüsten, Berge und Wälder, die unter mir vorbeizogen. Ich sah Wolken, die wie Lebewesen aussahen, schwebte über den Wolken, während es darunter regnete, zog ruhig am sonnigen, blauen Himmel davon, während die Menschen unter uns durchnäßt wurden! Ich speiste an einem Tisch, der so fest stand wie im Ritz (und man servierte mir ein Mahl, das fast ebenso köstlich war wie dort), während wir den Indischen Ozean überflogen, und ich genoß mein Abendessen, während wir hoch über dem sengenden Sand der Wüste Sahara dahinzogen!
    Bis wir in London ankamen, war das Fliegen für mich ganz selbstverständlich geworden. Sicher war es die bequemste Art zu reisen - und gleichzeitig die vornehmste.
    Ich begann mich allmählich, wie ich durchaus zugeben will, für den glücklichsten Menschen in der Geschichte unserer Welt zu halten. Ich war dem Zugriff eines tödlichen Erdbebens im Jahre 1902 entrissen und in den Schoß des luxuriösen Lebens von 1973 gelegt worden - eine Welt, die anscheinend ihre meisten Probleme gelöst hatte. War das nicht der größte - und unglaublichste - Glücksfall? Ich muß eingestehen, daß ich damals so dachte. Den Kortschenowski und die anderen sollte ich erst noch kennenlernen.
    Entschuldigen Sie die Abschweifung. Ich muß versuchen, die Geschichte zu erzählen, wie sie sich zugetragen hat, Ihnen eine Vorstellung meiner Gefühle zu der jeweiligen Zeit der Geschehnisse zu geben und nicht, was ich später darüber dachte.
    Nun, bei Sonnenaufgang des dritten Tages überflogen wir den Kanal, und ich konnte die weißen Klippen von Dover weit unter mir auftauchen sehen. Kurz darauf kreisten wir über dem unbeschreiblich riesigen Aeropark von Croydon in Surrey und begannen mit dem Anlegemanöver. Croydon war der größte Aeropark von London, denn selbstverständlich läßt sich ein so riesiger Hafen nicht auf dem Picadilly anlegen. Der Croydon-Aeropark war, wie ich später herausfand, der größte auf der Welt und hatte einen Umfang von über zwölf Meilen. Hier herrschte reger Verkehr, was wohl kaum betont werden muß, von Dutzenden größerer und kleinerer, alter und neuer Militär- und Linienschiffe. Jene unter uns, die die ganze Reise von Indien zurückgelegt hatten, mußten keine Zollinspektion über sich ergehen lassen, und wir schritten durch das Empfangsgebäude und nahmen unsere Plätze in dem Sonderschienenzug nach London ein. Ich war wieder einmal wie benommen von all dem, was sich

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