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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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vor meinem Auge ab, während ich wie ein seltenes Museumsexponat in der Welt herumgeschoben wurde. Am nächsten Morgen wurde ich an Bord des Einschienenbahn-Zuges nach Kalkutta verfrachtet. Der Zug hatte eher die Form eines Luftschiffes - nur daß er wirklich aus Stahl bestand und vor Messing und farbiger Lackierung nur so blitzte. Er zog fünfzig Waggons hinter sich her und fuhr mit furchterregender Geschwindigkeit, die auf geraden Strecken der hochgelegten Spur an die hundert Meilen pro Stunde heranreichte. Die Antriebskraft dieser unglaublichen Maschine war, wie ich erfuhr, elektrischer Strom. Mit wenigen Zwischenhalten erreichten wir Kalkutta innerhalb eines Tages. Mein Eindruck von Kalkutta war der einer riesigen Stadt - viel weitflächiger als das Kalkutta, das ich kannte - mit blitzenden Hochbauten aus Beton, Stahl und Glas, neben denen alles, was ich zuvor in Katmandu bestaunt hatte, verschwindend klein wirkte. Im Allgemeinen Krankenhaus von Kalkutta wurde ich von zwanzig Fachleuten untersucht, die sich alle für ratlos erklärten, und man beschloß, mich schnellstens auf dem nächsten Luftschiff nach England einzuschiffen. Die Vorstellung, eine so gewaltige Entfernung in der Luft zurückzulegen, erfüllte mich anfänglich mit einer gewissen Unruhe - ich konnte einfach noch nicht die Existenz eines Materials hinnehmen, das zugleich leichter und stärker als Stahl sein sollte, und es fiel mir ebenso schwer, dem Menschen zuzutrauen, daß er viertausend Meilen ohne Zwischenlandung fliegen konnte.
    Aus einer Reihe von Gründen sahen die Behörden mich lieber in England, einer davon war natürlich, daß es ihnen nicht gelungen war, in den Akten einen Hauptmann Bastable ausfindig zu machen, der innerhalb des letzten Jahrzehnts bei seinem Regiment als verschollen galt. Sie hatten jedoch ebenfalls die Akten meines eigenen Regiments bis ins Jahr 1902 zurückverfolgt und natürlich festgestellt, daß tatsächlich ein Hauptmann Bastable in Teku Benga ums Leben gekommen war. Nun war ich nicht nur ein Rätsel für die Ärzte, sondern stellte auch ein Problem für den Abwehrdienst der Armee dar, der unbedingt wissen wollte, wie der ›Geheimnisvolle‹ (wie sie mich nannten) die Identität einer Person angenommen haben konnte, die seit siebzig Jahren tot war. Ich glaube, sie hatten mich im Verdacht, eine Art ausländischer Spion zu sein, doch wie ich später erfuhr, waren ihre Erklärungen zu dieser Angelegenheit ebenso vage wie die meinen.
    Also buchte ich einen Platz auf dem großen Linienschiff der Wolken, der A. S. (für »Air Ship«) Lichter von Dresden , einem Schiff, das von der deutschen Firma Krupp Luftschiffahrt A. G. und dem britischen Unternehmen Vickers Imperial Airways gemeinsam betrieben wurde. Eingetragen war die Lichter von Dresden unter rein britischer Eignerschaft, und sie trug das entsprechende Hoheitszeichen auf den Schwanzflossen, doch der Kapitän und mindestens die halbe Mannschaft waren Deutsche. Wie sich herausstellte, hatten die Deutschen als erste die Luftschifffahrt in größerem Maßstab eingeführt, und die inzwischen eingegangene Zeppelin-Gesellschaft hatte die Luftschiffentwicklung auf der ganzen Welt angeführt, bis Großbritannien in Zusammenarbeit mit Amerika die Borfiberhülle entwickelte und eine Methode, die Schiffe steigen und sinken zu lassen ohne Ballast im eigentlichen Sinne. Die Lichter von Dresden war mit einem solchen Gerät ausgestattet, das gleichzeitig das Helium bei großen Geschwindigkeiten und aufwendigen Manövern wärmte und kühlte. An Bord des riesigen Linienschiffes befand sich ebenfalls die neueste Entwicklung einer elektrisch betriebenen Rechenmaschine, welche die Menschen des Jahres 1973 »Komputer« nannten, und welche in der Lage war, den Kurs des Schiffes automatisch und ohne menschliches Eingreifen zu korrigieren. Die Natur des Antriebs konnte ich nie ganz durchschauen. Es war ein einziger riesiger Gasturbinenmotor, der eine einzige, riesenhafte Schraube betrieb - oder besser einen Propeller am Ende des Schiffes. Dieses Gerät befand sich zwischen den großen Schwanzflossen. Daneben befanden sich ebenfalls ölbetrie-bene Ersatzmotoren, die dazu dienten, den Schiffskurs zu korrigieren, und die Schwenkungen von 360 Grad und sämtliche Neigungswinkel und Umkehrmanöver sowie das Ansteigen oder Absinken des Schiffes zu ermöglichen.
    Doch ich habe noch gar nicht richtig den unmittelbaren, überwältigenden Eindruck dieses mächtigen Luftschiffes beschrieben; es

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