Der Herr der Lüfte
ich das Gefühl, etwas zu verlieren. Ich hatte das Gefühl, alles zurückzulassen, was ich mir letztendlich über die Welt der Siebzigerjahre angeeignet hatte, um zu einer Reise aufzubrechen, die für mich neue Entdeckungen bereithielt. Ich fühlte mich ein wenig wie einer jener alten elisabethanischen Navigatoren, der aufgebrochen war, um die andere Seite unseres Planeten zu erkunden.
Der Aeropark Croydon fiel hinter uns zurück, wir überflogen die Felder von Kent mit Kurs auf die Küste, erreichten allmählich eine Höhe von 1000 Fuß und hielten eine Geschwindigkeit unter 50 Meilen. Das Schiff reagierte überraschend geschmeidig, und ich begriff allmählich, daß The Rover ungeahnte Qualitäten besaß. Ich lernte, ein Luftschiff nicht nach seinem Äußeren zu beurteilen. So primitiv ihre Ausrüstung sein mochte, sie flog geschmeidig und ruhig und fast völlig gleichmäßig ihre Bahn am Himmel. Barry, den ich für einen Trunkenbold am Ende seiner glanzlosen Laufbahn gehalten hatte, entpuppte sich als fähiger Offizier, und ich stellte bald fest, daß er nur schwer trank, wenn er nicht in der Luft war. Ich hoffte, daß meine Kollegen mich wegen meiner steifen Manieren nicht für eine Art Pinkel hielten.
Im Laufe des ersten Reisetages und -abends tauchten unsere Passagiere nicht aus ihrer Kabine auf. Dies kam mir nicht besonders auffällig vor. Vielleicht waren sie luftkrank oder hatten einfach keine Lust herumzulaufen. Schließlich gab es auf der Rover keine Promenadendecks oder Kinos. Wenn man die ganze Länge des Schiffes abschreiten und etwas außer der im Halbdunkel gestapelten Ladung sehen wollte, mußte man hinaus auf die freiliegenden Gangways und sich an die Seile klammern aus Furcht, über Bord gepustet zu werden.
Ich versah meinen Dienst voller Begeisterung, wenn auch anfänglich etwas ungeschickt, doch immer darauf bedacht, Kapitän Korzeniowski meinen Eifer zu demonstrieren. Ich glaube, sowohl der Kapitän wie auch Barry hatten dafür Verständnis, und bald stellte ich fest, daß meine Spannungen sich lösten.
Bis wir über den strahlenden, blauen Gewässern des Mittelmeeres kreuzten mit Kurs auf Jerusalem, unserem ersten Anlaufhafen, hatte ich den Draht zur The Rover bekommen. Man mußte sie sanft behandeln und mit etwas, das sich nur als »Würde« beschreiben läßt. Ging man derart mit ihr um, konnte man ihr fast alles abverlangen. Das klingt vielleicht gefühlsduselig und albern, doch auf diesem Schiff herrschte ein Gefühl der Herzlichkeit - ein Hauch Menschlichkeit, der für Mannschaft und Schiff gleichermaßen gültig war.
Doch noch immer hatte ich die Passagiere nicht gesehen. Sie nahmen ihre Mahlzeiten in ihrer Kabine ein, anstatt in der kleinen Messe neben der Kombüse, wo-Offiziere und Matrosen aßen. Allmählich glaubte ich, daß sie sich scheuten, sich zu zeigen, außer gegenüber Kapitän Korzeniowski oder Mr. Barry, die sie beide gelegentlich besuchten.
Wir hatten keinen speziellen Offizier für Navigation oder Meteorologie an Bord. Diese Aufgaben wurden zwischen dem Kapitän, Barry und mir geteilt. In der Nacht vor unserer Landung in Jerusalem hatte ich den Plattfuß übernommen, die Spaltwache, und überprüfte gerade unseren Kurs anhand der Karten und Instrumente, als unser Funker hereinschlenderte und ein Gespräch anfing. Schließlich fragte er:
»Was halten Sie denn von unseren Passagieren, Bastable?«
Ich zuckte die Achseln. »Was soll ich von ihnen halten, Johnson? Ich habe nur auf einen einen kurzen Blick geworfen. Eine Frau.«
»Ich glaube, es sind Flüchtige«, erklärte Johnson. »Der Alte sagt, sie würden in Brunei von Bord gehen.«
»Tatsächlich. Das ist bestimmt nicht der sicherste Flecken auf der Welt. Haben Sie denn hier irgendwelche krummen Dinger gedreht?«
»Irgendwelche Terroristen. Vermutlich gut organisiert. Ich habe gehört, sie würden von den Deutschen und den Japanern unterstützt. Würde mich nicht wundern, wenn die Interesse an ein paar von unseren Kolonien hätten.«
»Es gibt doch Verträge. Das würden sie nicht wagen.«
Johnson lachte. »Wissen Sie, Bastable, Sie sind ein bißchen blauäugig. Der ganze Osten brodelt. Nationalismus, mein Alter. In Indien, China, Südostasien. Die Leute werden unruhig.«
Johnson war ein Pessimist, der solche düsteren Aussichten genoß. Ich machte mir auf alles, was er sagte, meinen eigenen Reim.
»Es würde mich nicht wundern, wenn unsere Passagiere Landsleute des Alten wären. Polnische Emigranten. Oder
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