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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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glaube, daß er zumindest emotional einer von uns ist.«
    Korzeniowski hob die Hand, um den jungen Mann zum Schweigen zu bringen. Der Kapitän starrte tief in Gedanken versunken ins Feuer. Ein paar Augenblicke später wandte er sich um und sagte: »Ich bin Pole, Mr. Bastable. Naturalisierter Brite, aber gebürtiger Pole. Wenn ich in mein Heimatland zurückkehrte, würde ich erschossen. Wissen Sie, warum?«
    »Sie leben im Exil, Sir? Die Russen…?«
    »Genau. Die Russen. Polen ist Teil ihres Kaiserreiches. Ich war der Ansicht, daß das falsch wäre und daß den Völkern die freie Entscheidung über ihr Schicksal zustünde. Das habe ich nicht verschwiegen - vor vielen Jahren. Und das hat jemand gehört. So wurde ich ausgewiesen. Damals trat ich dem Britischen Handels-Luftdienst bei. Weil ich polnischer Patriot war.« Er zuckte die Achseln. Ich fragte mich, wozu er mir das erzählte, spürte aber, daß er damit eine bestimmte Absicht verfolgte und lauschte respektvoll. Schließlich sah er mich an. »Sie sehen also, Mr. Bastable, wir sind beide Ausgestoßene, jeder auf seine Art. Nicht, weil wir es wollten, sondern weil wir keine andere Wahl hatten.«
    »Ich verstehe, Sir.« Ich war noch immer etwas ratlos, sagte jedoch nichts weiter.
    »Ich habe ein eigenes Schiff«, sagte Korzeniowski. »Es ist nicht mehr sehr ansehnlich, aber es ist immer noch ein gutes, kleines Schiff. Möchten Sie mitkommen, Mr. Bastable?«
    »Sehr gerne, Sir. Ich bin sehr dankbar…«
    »Sie brauchen nicht dankbar zu sein, Mr. Bastable. Ich brauche einen Zweiten Offizier, und Sie brauchen eine Arbeit. Der Lohn ist nicht sehr hoch. Fünf Pfund die Woche, alles in allem.«
    »Danke, Sir.«
    »Gut.«
    Ich wunderte mich immer noch, welche Verbindung es wohl zwischen dem jungen Bohémien und dem alten Luftschiffkapitän geben mochte. Sie schienen einander sehr gut zu kennen.
    »Ich nehme an, Sie können heute nacht in diesem Hotel unterkommen, wenn Sie das wollen«, fuhr Kapitän Korzeniowski fort. »Melden Sie sich morgen an Bord. Paßt Ihnen acht Uhr?«
    »Bestens, Sir.«
    »Gut.«
    Ich hob meine Tasche auf und warf Dempsey einen erwartungsvollen Blick zu. Der junge Mann schaute den Kapitän an, grinste und tätschelte mir den Arm. »Richten Sie sich hier erst einmal ein. Ich komme später zu Ihnen. Ich habe noch ein paar Dinge mit dem Kapitän zu besprechen.«
    In einer Art Benommenheit verabschiedete ich mich von meinem neuen Kapitän und verließ das Zimmer. Als ich die Tür hinter mir schloß, hörte ich Dempsey sagen: »Und nun zu den Passagieren, Sir…«
    Am nächsten Morgen nahm ich den Omnibus zum Aeropark. Dort lagen Dutzende Luftschiffe an den Masten, sie landeten und starteten wie Bienen in einem riesenhaften Stock. In der Herbstsonne schimmerten die Schiffshüllen wie Silber, Gold oder Alabaster. Dempsey hatte mir am vorangegangenen Abend noch den Namen des Schiffes gegeben, wo ich mich einzufinden hatte. Sie hieß The Rover (ein ziemlich romantischer Name, dachte ich noch), und die Beamten vom Aeropark hatten mir erklärt, daß sie an Mast 14 vertäut läge. Ich begann mich im kalten Tageslicht allmählich zu fragen, ob ich nicht ziemlich überstürzt gehandelt haben mochte, als ich den Posten angenommen hatte, doch für neue Erwägungen war es nun zu spät. Ich konnte das Schiff ja auch jederzeit verlassen, wenn es sich herausstellen sollte, daß die Arbeit dort nicht meinen Erwartungen entsprach.
    Als ich am Mast 14 angelangte, mußte ich feststellen, daß man The Rover zugunsten eines russischen Frachters mit verderblicher Ladung, die schnell gelöscht werden mußte, verlegt hatte. Niemand schien jedoch zu wissen, wo The Rover nun vor Anker lag.
    Schließlich riet man mir, nachdem ich eine halbe Stunde ergebnislos herumgewandert war, zum Mast Nr. 38 zu gehen, der sich genau auf der anderen Seite des Parks befand. Ich trottete unter den riesigen Hüllen der Passagier- und Handelsschiffe dahin, duckte mich zwischen den schaukelnden Anlegetauen hindurch und machte weite Bögen um die Strahlträger der Masten, bis ich schließlich die Nummer 38 und mein neues Schiff erblickte.
    The Rover war ziemlich mitgenommen und benötigte einen frischen Anstrich, aber sie war so proper wie das feinste Passagierschiff. Sie hatte eine starre Hülle, offensichtlich ein Umbau von einer weichen Tuchhülle des alten Typus. Sie schwankte ein wenig an ihrem Mast und wirkte nach der Art, wie sie an ihren Kabeln schaukelte, schwer beladen. Ihre vier großen,

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