Der Herr der Lüfte
Integrität beeindruckt hatte, dem ich so bereitwillig mein Schicksal anbefohlen hatte, war ein mieser Sympathisant der Sozialisten!
Ein tiefes Gefühl, verraten worden zu sein, überwältigte mich. Wie hatte ich jemanden derartig falsch einschätzen können?
Ich mußte natürlich Verbindung zu den Behörden aufnehmen und sie sogleich warnen. Aber wie konnte ich das Schiff verlassen, ohne Mißtrauen zu erregen? Zweifellos teilten alle Offiziere und Mannschaftsmitglieder die verhängnisvolle Weltanschauung ihres Kapitäns. Es war unwahrscheinlich, daß ich die Polizei in Jerusalem lebend erreichen würde. Und doch war es meine Pflicht, es zu versuchen.
Die Zeit muß rasch verstrichen sein, während ich so hin und her überlegte, denn plötzlich fühlte ich das Schiff rucken und begriff, daß wir bereits vom Mast ablegten.
Nun konnte ich nichts mehr unternehmen in einem Schiff voller gefährlicher Fanatiker, die gewiß vor nichts zurückschreckten, mich zum Schweigen zu bringen, wenn sie bemerkten, daß ich Verdacht geschöpft hatte.
Mit einem Stöhnen grub ich mein Gesicht in die Hände.
Was für ein Narr war ich gewesen, Dempsey zu trauen - ganz offensichtlich, wie es nun schien, einer vom gleichen Haufen! Ich führte meine Arglosigkeit darauf zurück, daß ich völlig fassungslos gewesen war, nachdem ich meinen Abschied hatte nehmen müssen.
Plötzlich ging die Tür auf, und ich fuhr nervös hoch. Es war Barry. Er lächelte. Ich schaute ihn entsetzt an. Wie konnte er seine wahre Natur nur so gut verbergen?«
»Was ist los, alter Junge?« fragte er sanft. »Einen Sonnenstich? Der Alte hat mich geschickt, nach Ihnen zu sehen.«
»Wer…?« Ich konnte nur mit großer Mühe sprechen. »Die… die Passagiere - warum sind sie an Bord?« Ich hoffte auf eine Antwort, die seine und Kapitän Korzeniowskis Unschuld beweisen würde.
Er sah mich einen Augenblick lang überrascht an, ehe er sagte: »Was - die überm Flur? Nun, das sind alte Freunde vom Kapitän. Er tut ihnen einen Gefallen.«
»Einen Gefallen?«
»Genau. Hören Sie, legen Sie sich lieber ein wenig hin. Sie hätten einen Hut tragen sollen. Wollen Sie ein kleines Schlückchen, das Sie wieder auf die Beine bringt?« Er trat an seinen Spind.
Wie konnte er so harmlos tun? Ich konnte nur annehmen, daß ein so langes Leben jenseits der Legalität eine Gleichgültigkeit sowohl gegenüber den Leiden, die man anderen zufügte, wie auch gegenüber der Schlechtigkeit der eigenen Seele erzeugte.
Was für eine Chance hatte ich gegen einen Mann wie Barry?
DRITTES BUCH
Die Kehrseite der Medaille -
Der Spiess wird umgedreht -
Auftritt des Herren der Lüfte -
und Abgang des Zeitreisenden…
1 General O. T. Shaw
Als ich so in meiner Kabine lag und über die Geschehnisse der vergangenen Tage nachdachte, verstand ich, wie Cornelius Dempsey und später seine Gesinnungsgenossen zu der Auffassung gelangt waren, ich wäre einer der ihren. Aus ihrer Sicht war mein Angriff auf Reagan ein Angriff auf die Art Autorität, die er verkörperte. Man hatte mehrere Andeutungen gemacht, da ich sie jedoch falsch interpretiert hatte, hatte ich mich selbst in diese widerliche Situation hineinziehen lassen.
»Wir sind beide Ausgestoßene, jeder auf seine Art«, hatte Kapitän Korzeniowski gesagt. Erst jetzt war mir die Bedeutung dieser Worte klar! Er hielt mich für einen ebenso verwegenen Charakter, wie er selbst es war! Einen Sozialisten! Einen Anarchisten gar!
Doch dann dämmerte mir, daß ich in der glücklichen Lage war, meine Ehre wiederherzustellen, so daß alle Schmach vergessen wäre und ich wieder in den Dienst, den ich so sehr liebte, eingestellt würde.
Denn sie hatten mich nicht im Verdacht. Noch glaubten sie, ich wäre einer der ihren. Wenn es mir gelänge, das Schiff irgendwie in meine Gewalt zu bekommen und sie zur Rückkehr auf einen britischen Aeropark zu zwingen, könnte ich die Bande der Polizei übergeben. Ich würde zum Helden (nicht daß ich den Ruhm um seiner selber willen wollte) und würde mit größter Wahrscheinlichkeit gefragt, ob ich nicht wieder meinem alten Regiment beitreten wollte. Und dann sah ich vor meinem geistigen Auge Kapitän Korzeniowskis Gesicht, seinen festen Blick - und spürte einen fürchterlichen Stich. Konnte ich diesen Mann in Gefangenschaft bringen? Einen Mann, der mir seine Freundschaft entgegengebracht hatte? Einen Mann, der äußerlich so anständig wirkte?
Ich verschloß mein Herz. Deshalb war er wohl so lange in Freiheit
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