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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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zumindest eine Eigenheit mit Kindern - Sie wollen alles auf der Stelle . Alle Verbesserungen beanspruchen Zeit. Man kann die Welt nicht über Nacht vollkommen machen. Den meisten Leuten geht es heute erheblich besser als in meiner… als in den frühen Jahren dieses Jahrhunderts.«
    »In gewisser Hinsicht«, meinte Korzeniowski. »Doch die alten Mißstände bestehen fort. Und sie werden so lange bestehen, bis man den Herrschenden zu verstehen gegeben hat, daß alle Übel von ihnen ausgehen.«
    »Und das wollen Sie beweisen, indem Sie Bomben zünden, unschuldige Männer und Frauen umbringen und unwissende Eingeborene agitieren, an Aufständen teilzunehmen, bei denen sie zwangsläufig den Kürzeren ziehen? So stelle ich mir nicht die Menschen vor, die das Böse bekämpfen können.«
    »So gesehen, ich auch nicht«, sagte Korzeniowski.
    »Dutschke hat niemals in seinem Leben eine Bombe hochgehen lassen!« erklärte Barry.
    »Er hat jenen seinen Segen gegeben, die es tun. Das kommt aufs Gleiche raus«, konterte ich.
    Ich hörte hinter mir ein schwaches Geräusch und versuchte, mich zurückzuschieben, um zu sehen, was es verursacht hatte. Doch dann spürte ich, wie mir etwas Hartes zwischen die Rippen gepreßt wurde. Eine Hand tauchte auf und legte sich um den Zylinder meines Revolvers, und eine leise, leicht erheitert klingende Stimme sagte:
    »Sie haben wohl recht, Herr Bastable. Wir sind, wie wir sind. Je nach unserem Temperament schlagen wir uns auf die eine oder die andere Seite. Und ich fürchte, daß Ihre Seite heute keinen glücklichen Tag hat.«
    Ehe ich überlegen konnte, hatte man mir den Revolver abgenommen, und als ich mich umdrehte, schaute ich in das zynisch lächelnde Gesicht des Erzanarchisten persönlich. Hinter ihm stand ein hübsches Mädchen in einem langen, schwarzen Reisemantel. Ihr kurzes, dunkles Haar umrahmte ihr herzförmiges, ernstes, kleines Gesicht, und sie sah mich neugierig mit einem ruhigen Blick der grauen Augen an, die mich sogleich an die Korzeniowskis erinnerten.
    »Das ist meine Tochter, Una Persson«, sprach der Kapitän über meine Schulter hinweg. »Graf von Dutschke kennen Sie ja bereits.«
    Wieder einmal war es mir nicht gelungen, mein Ziel in der Welt der Zukunft zu erreichen. Ich gelangte allmählich zu der Überzeugung, daß ich dazu verdammt war, bei allen meinen Unternehmungen zu scheitern. Bestand der einzige Grund hierfür in der Tatsache, daß ich in einer Geschichtsperiode lebte, die nicht meine eigene war? Oder hätte ich in vergleichbaren Situationen in meiner Zeit ebenso versagt wie jetzt?
    Um diese Fragen kreisten meine Gedanken, als ich als Gefangener in meiner Kabine saß, während das Schiff Lahore anlief und wieder ablegte mit Kurs auf sein nächstes Ziel Kalkutta. Nach Kalkutta kam Saigon, wo die »Deckpassagiere« an Bord kommen sollten, danach Brunei, wo Dutschke und seine wunderschöne Freundin von Bord gehen sollten (zweifellos um sich mit Terroristen zu treffen, die der britischen Herrschaft dort ein Ende machen wollten). Nach Brunei sollten wir Kanton anfliegen, wo die Pilger, nämlich unsere Deckpassagiere (wahrscheinlich eher Terroristenfreunde von Korzeniowski) abgesetzt werden sollten; dann ging es zurück über Manila und Darwin. Ich fragte mich, welche dieser Häfen ich noch miterleben würde, ehe die Anarchisten entschieden, was sie mit mir vorhatten. Vermutlich würden sie diese Entscheidung bald treffen. Es würde nicht schwer fallen zu behaupten, ich sei irgendwo versehentlich über Bord gegangen.
    Barry brachte mir mein Essen, sein Revolver befand sich nun wieder in seinem Besitz. Sein Blickpunkt war derartig verzerrt, daß es ihn aufrichtig zu bekümmern schien, weil ich mich als »Verräter« entlarvt hatte. Auf jeden Fall zeigte er mehr Mitleid als Zorn. Es fiel mir immer noch schwer, in Barry und Korzeniowski die Schurken zu sehen, und einmal fragte ich Barry, ob Una Persson, die Tochter des Kapitäns, als Geisel benutzt würde, um sich den Kapitän gefügig zu machen. Barry lachte darüber und schüttelte den Kopf. »Nein, mein Junge. Sie ist die Tochter ihres Vaters, das ist alles!« Doch sie stellte offensichtlich die Verbindung dar, warum sie The Rover für ihre Flucht aus Großbritannien benutzt hatten.
    Daß die moralischen Wertungen des Kapitäns etwas umnebelt waren, zeigte mir auch die Tatsache, daß er seiner Tochter erlaubte, die Kabine mit einem Mann zu teilen, mit dem sie offensichtlich nicht verheiratet war. (Wo mochte

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