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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Gelassenheit machte mich rasend. Ich holte den Revolver hervor und spannte den Hahn. »Ja«, sagte er, ohne Ton oder Gesichtsausdruck zu verändern. »Vielleicht haben Sie recht. Es ist wohl mehr als ein Sonnenstich, hm?«
    »Mit der Sonne hat das nichts zu tun, Kapitän. Ich habe Ihnen vertraut - Ihnen allen. Wahrscheinlich ist es gar nicht Ihre Schuld - schließlich dachten Sie, ich wäre einer von Ihnen, zumindest ›emotional‹, um Ihren Freund Dempsey zu zitieren. Aber das bin ich nicht. Ich beging den Irrtum, Sie für einen anständigen Menschen zu halten - und Sie begingen den Irrtum, mich für einen solchen Schurken zu halten, wie Sie selbst einer sind. Ironie des Schicksals, wie?«
    »Und ob.« Korzeniowskis Haltung war immer noch unverändert. Doch Barry wirkte verstört und schaute erst mich und dann den Kapitän an, als wenn wir beide den Verstand verloren hätten.
    »Sie wissen doch wohl, wovon ich rede«, sagte ich zu Korzeniowski.
    »Ich muß zugeben, daß ich mir nicht ganz sicher bin, Bastable. Wenn Sie offen meine Meinung hören wollen, ich glaube, Sie haben eine Art Anfall. Ich hoffe, Sie haben nicht vor, jemanden zu verletzen.«
    »Ich bin bei äußerst klarem Verstand«, sagte ich, »ich habe entdeckt, was Sie und Ihre Mannschaft sind, Kapitän. Ich muß dieses Schiff nach Lahore bringen - auf den Militärteil des Aeroparks -, um Sie und das Schiff den Behörden zu übergeben.«
    »Etwa wegen?«
    »Nein, Kapitän, wegen Hochverrats. Sie haben mir erklärt, daß Sie britischer Staatsbürger seien. Weil Sie gesuchte Kriminelle verbergen - Ihre beiden Passagiere, Dutschke und das Mädchen. Sie sehen, ich weiß, wer sie sind. Und ich weiß, was Sie sind - ein Sympathisant der Anarchisten bestenfalls. Und schlimmstenfalls… nun ja…«
    »Ich sehe, ich habe Sie falsch beurteilt, mein Junge.« Korzeniowski nahm seine Pfeife aus dem Mund. »Ich wollte nicht, daß Sie die Wahrheit über die Passagiere erfahren, weil ich nicht wollte, daß Sie die Bürde mitzutragen haben - für den Fall, daß wir erwischt werden. Meine Sympathien gelten tatsächlich Leuten wie Graf Dutschke und Miß Persson - sie ist die Freundin des Grafen. Sie sind, wie ich sehr wohl weiß, Radikale. Aber glauben Sie denn allen Ernstes, die hatten etwas mit dem Bombenanschlag zu tun?«
    »Die Zeitungen glauben es, und die Polizei auch.«
    »Weil sie alle über den gleichen Kamm scheren«, erwiderte Korzeniowski. »Genauso wie Sie es zweifellos tun.«
    »Sie können sich hier nicht mehr herausreden, Kapitän.« Meine Hand hatte zu zittern begonnen, und einen Augenblick lang fühlte ich meine Entschlossenheit wanken. »Ich habe erkannt, was für ein Heuchler Sie sind.«
    Korzeniowski zuckte die Achseln. »Das ist albern. Aber ich gebe Ihnen recht, es ist auch ein gutes Stück Ironie. Ich hielt Sie für - nun, zumindest neutral.«
    »Was immer ich sonst sein mag, Kapitän, ich bin ein Patriot«, erklärte ich.
    »Das bin ich, glaube ich, auch«, lächelte er. »Ich glaube ganz fest an die britischen Ideale von Gerechtigkeit. Aber ich würde gerne sehen, daß sich diese Ideale etwas weiter über die Grenzen einer kleinen Insel hinaus verbreiten. Ich würde sie gerne auf der ganzen Welt angewandt sehen. Ich bewundere vieles, was Britannien repräsentiert. Aber mir gefällt nicht, was es mit seinen Kolonien anstellt, denn ich weiß aus persönlicher Erfahrung, was es heißt, unter einer Fremdherrschaft zu leben, Bastable.«
    »Rußlands Eroberung von Polen ist wohl kaum mit der britischen Verwaltung von Indien zu vergleichen«, entgegnete ich.
    »Ich kann keinen großen Unterschied feststellen, Bastable.« Er seufzte. »Aber Sie müssen tun, was Sie für richtig halten. Sie haben die Waffe in der Hand. Und der Mann mit der Waffe ist immer im Recht, stimmt's?«
    Ich wollte mich nicht hierin verstricken lassen. Wie die meisten Slawen hatte er sich als vorzüglicher Haarspalter erwiesen.
    Barry mischte sich nun ein, sein irischer Akzent kam stärker denn je zum Ausdruck. »Eroberung - Verwaltung - oder mit amerikanischen Begriffen, das Bereitstellen von ›Beratern‹ - das ist alles das Gleiche, Bastable, mein Junge. Und es ist durch die gleiche Unart gezeichnet, wie die Motive für solche Eroberungen: durch das Laster der Habgier. Ich möchte mal eine einzige Kolonie sehen, die besser dran ist als das Land, welches sie kolonisiert hat. Polen, Irland, Siam…«
    »Wie die meisten Fanatiker«, fiel ich ihm kühl ins Wort, »teilen Sie

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