Der Herr der Ohrringe (German Edition)
ich: ›Wieso eigentlich nicht? Warum eigentlich immer nur schraddeliges Grau?‹!«
»Ganzhalb!«, jauchzte Legospass. »Jenseits aller Hoffnung kehrst du zu uns zurück in der Not! Welcher Schleier lag auf meinem Blick?«
»Das hatten wir schon«, sprach Marathorn streng. »Und ich sagte es als erster!«
»Eben nicht!«, zischelte Legospass. »Du sagtest etwas, das wie ein Übersetzungsfehler klingt. Denn ›wider alle Hoffnung‹ bedeutet doch so was wie ›aller Hoffnung zum Trotz‹, und das ist sozusagen das Gegenteil von ›jenseits aller Hoffnung‹! Immer schön aufpassen mit den Schmeicheleien, egal ob sie ernst gemeint sind oder womöglich nicht!«
Während Marathorn in sprachtheoretische Überlegungen verfiel, raunte Pymli: »Ganzhalb! Bist du endlich fertig mit Fallen? Wie geht’s dem Pank Rog?«
Ein Schatten schien über Ganzhalbs Gesicht zu ziehen, und stockend sprach er: »Erwähne ihn nicht! Lange Zeit fiel ich, und er fiel mit mir, und ununterbrochen quatschte er auf mich ein! Dass er gar nichts Böses vorgehabt hätte, und ob ich mich nicht entschuldigen wollte, und ob ich irgendeine Ahnung hätte, wie tief wohl der Abgrund wäre. Es war entsetzlich! Er war eine Quasselstrippe. Und der Schacht stellte sich als der Unendlich Tiefe heraus, wie er in manchen Liedern besungen wird. Verhärmte Litaneien jenseits aller Erträglichkeit musste ich über mich ergehen lassen, bis ich endlich in die richtige Position gefallen war, dem Pank Rog von leicht seitlich Ungemach zuzufügen. Nun herrschte zwar Ruhe, doch noch immer fielen wir.«
»Was geschah dann?«, fragte Legospass, seine Apathie verhüllend.
»Schließlich waren wir ganz unten, aber denkt euch! Das war immer noch nicht das Ende des Schachtes, denn er hat kein Ende. Und schon stellte ich mich darauf ein, eine Ewigkeit weiterfallen zu müssen – als ich plötzlich gegen etwas prallte!«
»Was war es?«, fragte Macho, denn er dachte sich, dass die Frage so klingen würde, als interessierte ihn eine Antwort.
»Es war ein Riesenadler, einer von jenen, die dank der heutzutagigen Sprachfaulheit zumeist Rh’Adler genannt werden. Versehentlich war auch er in den Schacht gefallen. Denn wie ihr vielleicht wisst, ist jener Abgrund, davon die Rede ist, ein zauberischer, spaßiger Schacht, der sich mal hier auftut, mal jedoch dort, je nach Laune, und bisweilen auch inmitten der Himmel, wo die Rh’Adler gewohnt sind zu fliegen… Nun denn, jedenfalls knallten wir aufeinander, ich jedoch verkrallte mich, geistesgegenwärtig, wie ich betonen möchte, ins Gefieder des großen Vogels. Und obgleich er keine Freude daran hatte, trug er mich wieder nach oben an die Oberfläche, und einmal mehr sah ich die Strahlen der Sonne. Und ich gewahrte den hustenden Rh’Adler, denn der hatte sich verausgabt.«
Da jubelten die Gefährten, Ganzhalb jedoch runzelte die Stirn, denn was da an sein Ohr drang, klang wie ein gekünsteltes Jubeln!
»Was geschah mit dem Pank Rog?«, fragte Pymli.
»Hm, wenn der nicht irgendwas findet, wogegen er prallen kann, dann wird er wohl ewig weiterfallen«, murmelte Ganzhalb. »Denn denkt nur – der Schacht ist ganz endlos!« Diejenigen, die nun baff waren, untermauerten hiermit lediglich, dass sie die ganze Zeit über nicht richtig zugehört hatten.
»Und jetzt?«, fragte Macho. »Gibt’s eigentlich noch irgendwas zu tun, in dieser mir unendlich scheinenden Geschichte, oder können wir einfach feiern?«
Er bedauerte langsam, die saufenden Knorks verlassen zu haben, und in der Retrospektive schienen sie ihm spektakulärer als seine Gefährten, die ihm hohl und gänzlich ausgelaugt vorkamen – ganz so, als mühten sie sich, fruchtlos im Übrigen, Charakteren einer hochstilisierten Saga nachzueifern.
Ganzhalb aber schüttelte den Kopf. »Der unser harrenden Aufgaben sind es nicht wenige! Saurum ist noch nicht besiegt, und überall in den Ebenen dieser Mittelmäßigen Welt sucht er nach den Einen. Falls er sie findet – oder auch nur einen von ihnen! – wird er uns ins Meer fegen!«
Immer die alten Geschichten! Die Gefährten stöhnten, wenngleich vor allem inwendig. Kaum war er wieder da, der ehemals Graue, nun Weiße Zauberer, da fing er schon wieder an, seine ab gedroschenen Phrasen herunterzuleiern. Warum bloß war ihm der dusselige Rh’Adler begegnet? Sie waren schlechtgelaunt, aber nur für einen flüchtigen Augenblick. Dann waren sie sogar enttäuscht.
»Vom Rh’Adler aus sah ich vieles, das sich zutrug unter der
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