Der Herr der Ohrringe (German Edition)
fiel ihm ein, dass er das ja eh schon gewusst hatte, und dass es sich ohnehin um den Fahrduman der Anderen Weltvariante handelte; und plötzlich musste er lachen.
»Was giggelst du denn so blöde, Grauer Zauberer?«, erboste sich Fahrduman der Weiße. »Selbst für dich, Minderer, ein unwürdiger Gestus!«
»Ach Fahrduman!«, lachte Ganzhalb. »Bitte glaub mir, du kennst mich gar nicht!«
»Na, wenn du meinst. Und das soll ein Grund sein, so töricht zu lachen?«
Da straffte sich der Graue. »Weißt du, wieso ich lache, Weißer ? Wieso ich bitter lache ‒ und im Übrigen so böse und verhärmt bin?«
»Eh, also…«
»Aus purem Überdruss! Weil ich alles satt bin, wie mir gerade auffällt, da ich deinen lächerlich überschatteten Blick sehe. Maeyne Vraessae, diese unfassbare Langeweile der ewig gleich bleibenden Schablonen! Die Guten, die Bösen, und die Guten, die plötzlich böse werden… du weißt schon. Fühlst du dich nicht auch manchmal alt , Fahrduman? Wie lang ist das denn jetzt her mit der Zaubererschule, hm? Und mit unserer Jugend, im Entrückten Osten, als ich Odoldrin war und du Curumbo, he? In all den sich endlos streckenden Jahrtausenden musst du doch auch zwischendurch diese bleierne Schwere gefühlt haben, die dich zu erdrücken schien, unter grauen Nachmittagshimmeln, als dir der Tee nicht schmeckte? He?«
»Also, hm, ehrlich, ich wollt’ von was ganz anderem sprechen… da gibt es doch diesen Ohrring…«
Doch Ganzhalb, in Fahrt geraten, unterbrach den Weißen Zauberer: »Wie findest du nur, als nunmehr alter Sack, der gebeugt sein müsste von Melancholie, den Elan, zum Finsterling zu werden? Genau wie der olle Fahrduman meiner Welt! Bösewichte, alt und grau und schwarz, und von mir aus auch weiß, allerorts! Voll der geifernden Gier und der grapschenden verdorrten Hände, bereit zum Ränkeschmieden! Immer dieselben Geschichten. Wie ermüdend. «
» Deiner Welt…?«
»Ich bin alles so satt, alter Gefährte!«, schrie Ganzhalb, mit den Armen fuchtelnd. »Also, zerr’ jetzt nicht an meinen Nerven mit deinen Verratsgeschichten! Ich fühl’ momentan keine Gelüste, von dir auf der Spitze des Ohr-Tanks gefangengehalten zu werden, bis dass der Rh’Adler mich wieder befreit! Und du solltest doch wissen: In der Welt der Tollkühnheit haben diejenigen, die sich einer dunklen Gemütsverfärbung zuwenden, am Ende ohnehin immer das Nachsehen. Und das Obsiegen bleibt der Anderen Seite überlassen. Also überleg dir gut, ob du wirklich in den Schatten hinübertreten möchtest!«
Ganzhalb hatte seine Rede beendet, und Fahrduman wirkte gealtert, und er verfiel einer mimischen Unbeholfenheit. »Du weißt von meinem Verrat?«, murmelte er bekümmert. »Von meinem Plan, dich, falls du nicht Folge leistest, auf der Spitze des Ohr-Tanks festzusetzen? Wie verdatternd. Nur das mit dem Rh’Adler versteh’ ich noch nicht so ganz… Oh, ich verquassel’ mich ja ganz schön!«, fügte er hinzu und patschte sich auf den Mund. Bei dieser Gelegenheit fiel ihm sein Zauberstab auf den namenlosen Boden, es stoben versehentliche Wolken, unbeabsichtigter Dampf und unfreiwilliger Nebel in die Gefilde und siehe! Ganzhalb fand sich alsbald auf der Spitze des Ohr-Tanks wieder. Es war kalt, vor allem in den Nächten, aber der Ausblick war grandios. Die Gipfel der Dunstberge wirkten kühn gezackt, und an allen fernen Horizonten glühten Feuerchen der Brandschatzung.
» Dieser Fahrduman hatte seinen Zauberstab dabei!«, murrte der Graue vor sich hin. »So war’s doch vordem nicht, auf der ersten Abenteuerqueste. Es scheint Schwierigkeiten mit der Stringenten Parallelität der Welten zu geben.«
Zum Glück fiel ihm auch Erbauliches ein. »Wenigstens bin ich jetzt Verdruss und Mühsal los, die dieser verdammte Ohrringkrieg mit sich zu bringen in Aussicht stellt. Der Rh’Adler kann sich ruhig noch ein Weilchen Zeit lassen mit meiner Befreiung.« Und er schaute in den Nachthimmel, wo kleine Feuerschmetterlinge tänzelten.
Währenddessen saß Fahrduman in der Tiefe des Ohr-Tanks in dunklen Gemächern, aber immer nur in einem gleichzeitig, schaute angestrengt in seine Glaskügelchen und grübelte über finstere Ahnungen, derweil er sich den Bart zwirbelte.
»Was sollte dieses Gefasel von einem Rh’Adler?«, fragte er sich. »Klingt verdächtig nach Finte. Dem alten Ganzhalb ist nicht zu trauen. Es könnte sein, dass er mir eine Art Streich zu spielen gedenkt, und das, obwohl ich ihm diese herrliche Aussicht biete!
Weitere Kostenlose Bücher