Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
ihm um die Füße. Er spürte das ruckartige Aufbocken, als das Pferd aus dem Wasser ans andere Ufer stieg. Dann lief es über einen steinigen Weg, die steile Böschung hinauf. Er hatte die Furt durchquert.
Aber die Verfolger waren dicht hinter ihm. Oben auf der Böschung hielt das Pferd an, drehte sich um und wieherte laut. Neun Reiter standen nun drüben am anderen Ufer und blickten zu ihm empor. Frodo bebte bis ins Herz hinein vor der Drohung, die aus ihren Gesichtern sprach. Er wusste nicht, was sie hindern sollte, die Furt ebenso mühelos wie er zu durchqueren, und er fand es sinnlos, ihnen auf dem langen, ihm unbekannten Weg von der Furt nach Bruchtal entkommen zu wollen, wenn die Reiter einmal über den Fluss wären. Jedenfalls, so spürte er, gab man ihm den strengen Befehl zu halten. Wieder regte sich der Hass in ihm, aber er hatte nicht mehr die Kraft, sich zu weigern.
Der vorderste Reiter gab seinem Pferd die Sporen. Es scheute vor dem Wasser zurück und bäumte sich auf. Mit großer Mühe richtete Frodo sich im Sattel auf und hob sein Schwert.
»Zurück!«, rief er. »Zurück mit euch in das Land Mordor! Verfolgt mich nicht länger!« Er hörte selber, wie dünn und schrill seine Stimme klang. Die Reiter hielten an, aber Frodo konnte keine Machtworte sprechen wie Bombadil. Die Feinde brachen in ein eisiges Hohnlachen aus. »Komm du zurück! Komm zurück!«, riefen sie. »Nach Mordor kommst du mit uns!«
»Zurück!«, flüsterte er.
»Der Ring! Der Ring!«, schrien sie mit schneidenden Stimmen. Und sofort trieb ihr Anführer, gefolgt von zwei anderen, sein Pferd ins Wasser hinein.
»Bei Elbereth und Lúthien der Schönen«, rief Frodo mit letzter Kraft und hob wieder sein Schwert, »weder den Ring noch mich sollt ihr haben!«
Da richtete sich der Anführer, der nun schon in der Mitte der Furt war, drohend in den Steigbügeln auf und hob die Hand. Frodo verschlug es die Sprache. Er fühlte, wie ihm die Zunge im Mund erstarrte und wie sein Herz pochte. Sein Schwert zerbrach und fiel ihm aus der zitternden Hand. Schnaubend bäumte das Elbenpferd sich unter ihm auf. Das vorderste der schwarzen Pferde setzte fast schon den Fuß ans Ufer.
In diesem Augenblick brach ein brausender Lärm los, das Getöse einer Flutwelle, mit der viele Steine einherpolterten. Verschwommen sah Frodo, wie der Fluss anschwoll und wie eine ganze Kavallerie von Wellen mit wehenden Helmbüschen das Flussbett herabtoste. Weiße Flammen schienen auf ihren Kämmen zu flackern, und halb glaubte er im Wasser weiße Reiter auf weißen Rossen mit schäumenden Mähnen zu sehen. Die drei Reiter, die noch in der Furt waren, wurden fortgerissen und versanken in der strudelnden Gischt. Die anderen hinter ihnen schraken zurück.
Bevor ihm die Sinne schwanden, hörte Frodo noch Rufe, und ihm war, als sähe er hinter den Reitern, die zögernd am andern Ufer verharrten, eine weiß leuchtende Gestalt auftauchen; und hinter ihr drein kamen kleine, schattenhafte Figuren, Fackeln schwenkend, die rot durch den grauen Nebel loderten, der auf die Welt herabfiel.
Die schwarzen Pferde kannten kein Halten mehr und stürzten sich, wahnsinnig vor Angst, mitsamt ihren Reitern in die rasende Flut. Die markerschütternden Schreie der Reiter gingen unter im Tosen des Flusses, der sie davonschwemmte. Frodo war es, als stürzte er selbst und ginge zusammen mit seinen Feinden unter im brausenden Lärm. Dann hörte und sah er nichts mehr.
ZWEITES BUCH
ERSTES KAPITEL
VIELE BEGEGNUNGEN
A ls Frodo erwachte, lag er im Bett. Zuerst glaubte er, verschlafen zu haben, nach einem langen, unangenehmen Traum, der ihn am Rande seiner Erinnerungen noch immer quälte. Oder war er krank gewesen? Aber die Zimmerdecke kam ihm fremd vor; sie war niedrig und von dunklen, vielfältig mit Schnitzwerk verzierten Balken getragen. Er blieb noch ein Weilchen liegen, betrachtete die Sonnenflecken an der Wand und hörte einen Wasserfall plätschern.
»Wo bin ich, und wie spät ist es?«, sagte er laut zu der Decke.
»In Elronds Haus, zehn Uhr vormittags«, sagte eine Stimme. »Vierundzwanzigster Oktober, wenn du’s genau wissen willst.«
»Gandalf!«, rief Frodo und richtete sich auf. Da saß der alte Zauberer auf einem Stuhl am offenen Fenster.
»Jawohl«, sagte er, »da bin ich. Und du kannst von Glück sagen, dass du auch da bist, nach all den Dummheiten, die du angestellt hast, seit du von zu Hause fort bist.«
Frodo streckte sich wieder aus. Ihm war zu behaglich und
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