Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Fluss erreichen«, sagte Glorfindel. »Mein Herz sagt mir, dass die Verfolger uns dicht auf den Fersen sind, und andere Gefahren erwarten uns vielleicht an der Furt.«
Noch immer führte die Straße stetig bergab, und an manchen Stellen auf beiden Seiten wuchs dichtes Gras, durch das die Hobbits liefen, weil es ihren müden Füßen gut tat. Am Spätnachmittag kamen sie an eine Stelle, wo die Straße unversehens in den dunklen Schatten hoher Kiefern und dann in einen tiefen Hohlweg zwischen feuchten roten Felswänden eintauchte. Das Echo begleitete sie, als sie dahineilten, und viele trappelnde Füße schienen ihren eigenen Schritten zu folgen. Auf einmal, wie durch ein lichtes Tor, ging es am Ende des Tunnels ins Freie hinaus. Vor ihnen, zu Füßen eines steilen Hangs, lag eine Meile flaches Land und dahinter die Furt von Bruchtal. Am anderen Ufer war eine hohe Böschung, auf die sich ein Weg in Schlangenlinien hinaufzog; und dahinter ragten Rücken über Rücken und Gipfel über Gipfel die hohen Nebelberge in den blassen Himmel.
Noch immer folgte ihnen ein Echo wie von Schritten aus dem Hohlweg; ein Rauschen, wie wenn ein eben aufkommender Wind die Kiefernäste bewegte, erhob sich. Glorfindel drehte sich um und horchte einen Augenblick, dann sprang er mit einem Aufschrei vorwärts.
»Flieh!«, rief er. »Flieh! Der Feind ist da!«
Das weiße Pferd machte einen Satz voran. Die Hobbits rannten den Hang hinunter, Glorfindel und Streicher als Nachhut hinterdrein. Sie hatten das flache Stück erst halb überquert, als sie Getrappel von galoppierenden Pferden hörten. Aus der Öffnung zwischen den Bäumen, die sie eben verlassen hatten, kam ein Schwarzer Reiter. Er zügelte sein Pferd, hielt an und bog sich im Sattel hin und her. Ein zweiter Reiter folgte, dann noch einer, dann noch zwei.
»Reite zu! Reite!«, rief Glorfindel.
Frodo gehorchte nicht gleich. Ein seltsames Widerstreben hielt ihn zurück. Er ließ sein Pferd im Schritt gehen, drehte sich um und blickte hinter sich. Wie drohende Statuen auf einem Berg saßen die Reiter auf ihren großen Rossen, dunkel und massig, während der Wald und das Land ringsum in einem Nebel zu versinken schienen. Plötzlich erkannte er aus seinem Innern, dass sie ihm den stummen Befehl gaben zu warten. Sofort wachten Furcht und Hass in ihm auf. Seine Hand ließ den Zügel fahren und griff nach dem Heft seines Schwertes. Es blitzte rot auf, als er es zog.
»Reite zu! Reite zu!«, rief Glorfindel, und dann, laut und deutlich, sprach er das Pferd in der Elbensprache an: noro lim, noro lim, Asfaloth!
Sofort setzte sich das weiße Pferd in Gang und stürmte das letzte Stück der Straße entlang. Im gleichen Augenblick rasten die schwarzen Pferde los, den Hügel herab, und nahmen die Verfolgung auf; und die Reiter stießen einen schrillen Schrei aus, wie ihn Frodo voller Entsetzen schon einmal in den Wäldern des fernen Ostviertels gehört hatte. Er wurde beantwortet, und zu Frodos und seiner Freunde Schrecken kamen vier andere Reiter zwischen den Felsen und Bäumen zur Linken hervorgeprescht. Zwei hielten geradewegs auf Frodo zu, zwei galoppierten wie verrückt zur Furt hin, um ihm den Weg abzuschneiden. Wie ein Sturmwind kamen sie dahergerast, rasch immer größer und dunkler werdend, zu dem Punkt hin, wo ihre Bahnen sich kreuzen mussten.
Frodo warf einen Blick zurück über die Schulter. Seine Freunde konnte er nicht mehr sehen. Die Reiter hinter ihm blieben zurück: Selbst ihre großen Rosse konnten es mit Glorfindels weißem Elbenpferd an Schnelligkeit nicht aufnehmen. Er blickte wieder nach vorn, und die Hoffnung verging ihm. Es schien unmöglich, die Furt zu erreichen, bevor die Reiter, die im Hinterhalt gelauert hatten, ihm den Weg abschnitten. Er sah sie nun ganz deutlich. Sie hatten die schwarzen Mäntel und Kapuzen abgeworfen und trugen nun graue und weiße Gewänder. In den Händen hatten sie die nacktenSchwerter, auf den Köpfen Helme. Ihre Augen funkelten kalt, und sie schienen ihm mit Grabesstimme etwas zuzurufen.
Frodo dachte nicht mehr an sein Schwert, er schrie auch nicht, er hatte nur noch Angst. Er machte die Augen zu und hielt sich fest an der Mähne des Pferdes. Der Wind pfiff ihm um die Ohren, und die Glöckchen am Zaumzeug bimmelten schrill. Eine Eiseskälte traf ihn wie ein Speer, als sich das Elbenpferd ein letztes Mal streckte und wie ein weißer Blitz dem vordersten schwarzen Gaul dicht am Maul vorbeiflog.
Frodo hörte Wasser aufspritzen. Es schäumte
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