Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Drachen.«
»Nöö danke!«, sagte Timm. »Hör mir auf davon! So was hab ich gehört, als ich klein war, aber da muss ich doch jetzt nicht mehr dran glauben. In Wasserau gibt’s nur einen Drachen, und das ist der grüne«, sagte er, und die Zuhörer lachten.
»Schön«, sagte Sam, ebenfalls lachend, »aber was sagst du zu diesen Baummännern oder Riesen, wenn du so willst? Man sagt, vor noch nicht langer Zeit ist einer, der größer war als ein Baum, oben hinter den Nordmooren gesehen worden.«
»Wer ist man? «
»Mein Vetter Hal zum Beispiel. Der arbeitet bei Herrn Boffin in Oberbühl und geht manchmal zur Jagd rauf ins Nordviertel. Der hat einen gesehen. «
»Sagt er! Dein Vetter Hal sagt vieles und sieht vieles, und vielleicht auch mal ein bisschen mehr, als da ist.«
»Aber dieser eine war groß wie eine Ulme und ist gelaufen – gelaufen, mit jedem Schritt sechs Ellen, wenn’s wenig war.«
»Dann wett ich, es war nicht wenig. Was er gesehn hat, war eben eine Ulme und nichts weiter!«
»Aber der ist gelaufen, sag ich dir, und in den Nordmooren gibt es gar keine Ulmen.«
»Dann kann Hal auch keine gesehen haben«, sagte Timm, und wieder lachten einige und klatschten; sie schienen zu denken, dass Timm die erste Runde gewonnen hatte.
»Trotzdem«, sagte Sam, »du kannst nicht bestreiten, dass auch andere als unser Halfast schon sehr sonderbare Leute auf der Durchreise durchs Auenland gesehn haben – auf der Durchreise, wohlgemerkt, denn an den Grenzen, da gibt’s noch ganz andere, die man gar nicht erst reinlässt. Die Grenzer haben noch nie so viel zu tun gehabt.
Und dann hab ich auch gehört, dass die Elben nach Westen ziehen. Sie sagen, sie gehn zu den Häfen, da draußen hinter den Weißen Türmen.« Sam schwenkte den Arm ungefähr in die bezeichnete Richtung: Weder er noch irgendeiner der Anwesenden wusste, wie weit es von den alten Türmen hinter den westlichen Grenzen des Auenlands bis zum Meer war. Doch eine alte Überlieferung besagte,dass irgendwo dort die Grauen Anfurten seien, von denen zuweilen die Elbenschiffe ausliefen, um nie wiederzukehren.
»Und die segeln, segeln, segeln übers Meer, fahren in den Westen und verlassen uns«, sagte Sam, fast wie wenn er ein Lied sänge; und er schüttelte betrübt und bedächtig den Kopf. Aber Timm lachte.
»Na, das ist nichts Neues, wenn du solche alten Mären glauben willst. Aber ich seh nicht ein, was es mich oder dich angeht. Lass die nur segeln! Aber ich wette, du hast es nicht gesehn, wie sie fortsegeln, und auch sonst niemand aus dem Auenland.«
»Na, ich weiß nicht«, sagte Sam nachdenklich. Er glaubte, im Wald einmal einen Elben gesehen zu haben, und hoffte, irgendwann noch mehr von ihnen zu sehen. Von all den Sagen, die er als Kind gehört hatte, waren es immer die bei den Hobbits noch bekannten Bruchstücke von Märchen und fast vergessenen Geschichten von den Elben gewesen, die ihn am tiefsten berührten. »Es gibt schon noch ein paar Leute, sogar hier in der Gegend, die das Schöne Volk kennen und von ihm Neuigkeiten erfahren«, sagte er. »Zum Beispiel der Herr Beutlin, bei dem ich arbeite. Er hat mir erzählt, dass sie fortsegeln, und er weiß so einiges von den Elben. Und noch mehr wusste der alte Herr Bilbo, und der hat oft mit mir geredet, als ich noch ein kleiner Junge war.«
»Na, die spinnen ja beide!«, sagte Timm. »Wenigstens der alte Bilbo, der war ganz übergeschnappt, und bei Frodo fängt es auch schon an. Wenn du deine Neuigkeiten von daher hast, dann kannst du uns viel Stuss erzählen. So, Freunde, ich segle nach Hause. Zum Wohl!« Er leerte seinen Krug und stapfte geräuschvoll hinaus.
Sam saß still und sagte nichts mehr. Er musste über einiges nachdenken. Zunächst mal gab es im Garten von Beutelsend allerhand zu tun, und wenn sich das Wetter morgen besserte, würde es ein schwerer Tag. Das Gras spross rasch. Aber Sam hatte mehr im Sinn als nur die Gartenarbeit. Nach einer Weile stand er seufzend auf und ging hinaus.
Es war Anfang April, und nach einem starken Regen klarte der Himmel auf. Die Sonne war untergegangen, und ein kühler, blasserAbend dämmerte langsam in die Nacht hinüber. Unter den ersten Sternen am Himmel ging er heim, durch Hobbingen und den Bühl hinauf, nachdenklich und leise vor sich hin pfeifend.
Es war gerade zu dieser Zeit, dass Gandalf nach langer Abwesenheit wieder auftauchte. Drei Jahre lang war er nach dem Fest fortgeblieben. Danach kam er einmal kurz zu Besuch, schaute sich Frodo
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