Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
waren Furten für die Pferde; in der Mitte des Flusses lag ein Sandwerder. Die Reiter blickten hinab und wunderten sich, denn sonst hatte man an den Furten immer das Wasser laut über die Steine plätschern und strudeln gehört; nun aber war alles still. Das Flussbett war fast trocken, eine Wüste von Kieseln und grauem Sand.
»Trostlos sieht es jetzt aus hier«, sagte Éomer. »Welche Krankheit hat den Fluss befallen? Viel Schönes hat Saruman vernichtet: Hat er nun auch die Quellen des Isen austrocknen lassen?«
»So scheint es wenigstens«, sagte Gandalf.
»Ach!«, seufzte Théoden. »Müssen wir denn hier vorüber, wo die aasfressenden Tiere jetzt so manchen wackeren Reiter der Mark verzehren?«
»Dies ist unser Weg«, sagte Gandalf. »Doch so sehr der Tod Eurer Männer uns schmerzt, sollt Ihr doch wenigstens sehen, dass die Bergwölfe sich nicht an ihnen gütlich tun. Ihre Freunde, die Orks sind es, die sie verspeisen: So hält man’s unter Freunden bei ihresgleichen. Kommt!«
Sie ritten ans Ufer hinunter, und bei ihrem Nahen hörten die Wölfe zu heulen auf und schlichen davon. Der Anblick Gandalfs imMondschein auf seinem silbrig schimmernden Pferd flößte ihnen Respekt ein. Die Reiter durchquerten den Fluss bis zu der Sandbank in der Mitte, und funkelnde Augen verfolgten sie unentschlossen aus den Schatten an den Ufern.
»Seht!«, sagte Gandalf. »Freunde waren hier schon am Werk.«
In der Mitte des Werders war ein Hügelgrab errichtet, mit Steinen und vielen in den Boden gerammten Speeren umgeben.
»Hier liegen alle Männer der Mark, die in der Nähe gefallen sind«, sagte Gandalf.
»Mögen sie hier ruhen!«, sagte Éomer. »Und wenn ihre Speere verrottet und verrostet sind, möge ihr Hügel hier immer noch die Isenfurten bewachen!«
»Gandalf, mein Freund«, sagte Théoden, »ist dies auch dein Werk? Du hast allerhand geleistet für einen Abend und eine Nacht!«
»Mit Schattenfells Hilfe – und mit anderen«, sagte Gandalf. »Ich bin schnell und weit geritten. Aber hier, an dem Hügelgrab, kann ich so viel zu Eurem Trost sagen: Viele sind zwar in den Schlachten an den Furten gefallen, aber nicht so viele, wie in den Gerüchten dann daraus wurden. Viele wurden versprengt, nicht erschlagen; und ich sammelte alle, die ich fand. Manche schickte ich mit Grimbold von der Westfold zu Erkenbrand; andere habe ich dieses Begräbnis machen lassen. Sie haben sich dann Eurem Marschall Elfhelm angeschlossen. Ihn habe ich mit vielen Reitern nach Edoras geschickt. Ich wusste, dass Saruman seine ganze Streitmacht gegen Euch in den Kampf geworfen hatte, und seine Truppen hatten alle anderen Vorhaben hintangesetzt und sich nach Helms Klamm aufgemacht. Das übrige Land schien also von Feinden frei zu sein, aber ich befürchtete, Wolfsreiter und andere Plünderer könnten dennoch nach Meduseld vordringen, das unbewacht ist. Jetzt aber glaube ich, dass dergleichen nicht zu befürchten ist: Ihr werdet Euer Haus zu Eurem Empfang bereit finden, wenn Ihr heimkehrt.«
»Froh werde ich sein, es wiederzusehen«, sagte Théoden, »obwohl mein Aufenthalt dort gewiss jetzt nur kurz sein kann.«
Damit nahmen sie Abschied von dem Werder und dem Grab, ritten durch den Fluss und das andere Ufer hinauf, froh, die Trauerstätte hinter sich zu lassen. Als sie sich entfernten, fingen die Wölfe wieder zu heulen an.
Eine alte Straße führte von Isengard zu den Furten herab. Ein Stück weit verlief sie am Fluss entlang, bog mit ihm nach Osten und dann nach Norden ab; aber schließlich trennte sie sich von ihm und nahm geradewegs Richtung auf das Tor von Isengard; und dieses lag unter dem Berghang auf der Westseite des Tals, sechzehn oder mehr Meilen vom Talausgang. Dieser Straße folgten sie, ritten aber nicht auf ihr, denn der Boden neben ihr war fest und eben, über viele Meilen hin mit kurzem, federndem Gras bedeckt. Sie ritten nun schneller, und um Mitternacht waren sie fast schon fünf Wegstunden hinter den Furten. Dann machten sie für die Nacht halt, denn der König war müde. Sie waren am Fuß des Nebelgebirges, und die langen Arme der Berge um das Nan Curunír streckten sich ihnen entgegen. Dunkel lag das Tal vor ihnen, denn der Mond stand tief im Westen hinter den Bergen. Doch aus dem tiefen Schatten stieg eine große Rauch- und Dampfsäule auf, so hoch, dass sie von den Strahlen des sinkenden Mondes getroffen wurde und sich in schwarzsilbern schimmernden Schwaden über den Sternenhimmel ausbreitete.
»Was hältst du
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