Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
den kriegerischen Mut als etwas Gutes an sich, sowohl zum Zeitvertreib als auch um des verfolgten Ziels willen; und obwohl wir immer noch meinen, dass der Krieger mehr Können und Kenntnis besitzen soll als nur, was den Waffengebrauch und das Töten angeht, schätzen wir dennoch das Kriegshandwerk höher ein als alle anderen Gewerbe. Das erzwingt die Not unserer Tage. Und gerade so einer war mein Bruder Boromir: ein Mann voll Mut und Kraft, und darum galt er als der Beste in Gondor. Und tapfer war er wahrhaftig: Kein Erbe von Minas Tirith hat jemals jahrelang so verwegen in der vordersten Schlachtreihe gekämpft oder so mächtig ins große Horn gestoßen.« Faramir seufzte und verstummte einstweilen.
»In all dem, was du erzählst, Herr, sagst du nicht viel über die Elben«, sagte Sam, plötzlich Mut fassend. Er hatte bemerkt, dass Faramir die Elben mit Ehrerbietung zu erwähnen schien, und dies mehr noch als seine Höflichkeit, das gute Essen und der Wein hatten Sam für ihn eingenommen und seinen Argwohn beschwichtigt.
»Freilich nicht, Herr Samweis«, sagte Faramir, »denn in der elbischen Überlieferung kenne ich mich nicht aus. Aber du rührst hier an etwas anderes, worin wir uns im Niedergang, der uns von Númenor nach Mittelerde geführt hat, verändert haben. Denn wie ihrwohl wisst, wenn Mithrandir euer Gefährte war und ihr mit Elrond gesprochen habt, kämpften die Edain, die Väter der Númenórer, in den ersten Kriegen Seite an Seite mit den Elben und wurden mit dem Königreich inmitten des Meeres und in Sichtweite von Elbenheim belohnt. Aber durch die Künste des Feindes und die langsame Wirkung der Zeit, in der jede Art weiter ihren gesonderten Weg hinabschritt, sind Menschen und Elben in Mittelerde während der dunklen Jahre einander fremd geworden. Mit Furcht und Misstrauen begegnen die Menschen heute den Elben und wissen doch wenig von ihnen. Und wir in Gondor gleichen uns darin den andern an, den Menschen von Rohan zum Beispiel; denn auch sie, die doch Feinde des Dunklen Herrschers sind, meiden die Elben und sprechen vom Goldenen Wald nur mit Grauen.
Aber manche gibt es noch unter uns, die mit den Elben Umgang haben, wenn sich die Gelegenheit bietet, und dann und wann geht einer heimlich nach Lórien, aber nur selten kehrt einer wieder. Nicht ich. Denn ich glaube, heute ist es gefährlich für einen Sterblichen, mutwillig das Ältere Volk aufzusuchen. Doch ich beneide euch darum, mit der Weißen Frau gesprochen zu haben.«
»Die hohe Frau von Lórien, Galadriel!«, rief Sam. »Ja, die solltest du sehen, Herr! Ich bin nur ein Hobbit, zu Hause von Beruf Gärtner, damit das klar ist, und versteh nicht viel von der Poesie – ich meine, ich kann keine Gedichte machen, höchstens mal ab und zu so ein komisches Gereim, aber keine richtigen Gedichte –, und darum kann ich’s dir gar nicht sagen, was ich meine. Das müsste man singen. Dazu müssten wir Streicher hier haben, Aragorn mein ich, oder den alten Herrn Bilbo. Ich wünschte, ich könnte ein Lied über sie machen. Schön ist sie, Herr! Wunderschön! Manchmal wie ein hoher Baum in Blüte, manchmal wie eine weiße Narzisse, so klein und zierlich. Hart wie Diamant, weich wie Mondlicht. Warm wie die Sonne, kalt wie der Frost in den Sternen. Stolz und fern wie ein schneebedeckter Berggipfel und ausgelassen wie ein junges Ding beim Tanz in den Frühling. Aber ich rede lauter Unsinn und kann’s dir doch nicht erklären.«
»Dann muss sie wahrhaftig schön sein«, sagte Faramir. »Gefährlich schön.«
»Ich weiß nicht, ob gefährlich «, sagte Sam. »Mir kommt es so vor, als ob manche Leute ihre Gefahr mitbringen, wenn sie nach Lórien kommen, und sie nur deshalb dort finden. Aber vielleicht könnte man sie gefährlich nennen, weil sie in sich so stark ist. Man könnte an ihr zerschellen wie ein Schiff an einem Felsen oder in ihr ertrinken wie ein Hobbit in einem Fluss. Aber weder der Felsen noch der Fluss wären schuld. Und Boro…« Er brach ab und wurde rot im Gesicht.
»Ja? Und Boromir, wolltest du sagen?«, sagte Faramir. »Was wolltest du sagen? Er hat sich die Gefahr mitgebracht?«
»Ja, Herr, entschuldige bitte, und obwohl er doch so ein feiner Kerl war, dein Bruder, wenn ich so sagen darf. Aber du bist ja schon die ganze Zeit auf der richtigen Fährte. Nun, ich habe Boromir beobachtet und ihm zugehört, auf dem ganzen Weg von Bruchtal – musste ja auf meinen Master aufpassen, kannst du sicher verstehn, war gar nicht bös gemeint gegen
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