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Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Titel: Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John R Tolkien
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nicht«, sagte er, »noch nicht.« Müdigkeit drückte ihn nieder, aber nicht nur sie: Er schien an Leib und Seele mit einem Bann geschlagen zu sein. »Ich muss erst ausruhen«, brummte er.
    Gollums Angst und Aufregung ließen ihn das eigene Schweigegebot vergessen; er sprach wieder, zischend hinter der vorgehaltenen Hand, als wollte er die Laute gegen unsichtbare Horcher in den Lüften abschirmen. »Nicht hier, nein! Nicht hier rasten! Blödmann! Augen können uns sehen. Sehen uns, wenn sie zur Brücke kommen. Fort hier, höher, höher, los!«
    »Komm, Master Frodo!«, sagte auch Sam. »Er hat wieder mal recht. Hier können wir nicht bleiben.«
    »Na schön«, sagte Frodo, aber wie geistesabwesend, als spräche er im Halbschlaf. »Versuchen wir’s.« Schwerfällig stand er auf.
    Aber es war zu spät. Im gleichen Augenblick bebte und wackelte der Fels unter ihren Füßen. Das mächtige polternde Geräusch, lauter als zuvor, erschütterte den Boden und hallte in den Bergen wider. Dann, mit augenversengender Plötzlichkeit, leuchtete ein starker roter Blitz auf. Weit hinter den Bergen im Osten sprang er in den Himmel und färbte die drückenden Wolken scharlachrot. In diesem Tal des Schattens und des kalten Kadaverlichts wirkte er unerträglich grell und brutal. Gipfel und Grate stachen wie Dolche und Sägemesser kohlschwarz in die aufbrausende Flamme aus der Gorgoroth. Dann folgte ein krachender Donnerschlag.
    Und Minas Morgul gab Antwort. Fahle Blitze flackerten; blaue Flammenzungen sprangen vom Turm und den umgebenden Hügeln zu den düsteren Wolken auf. Der Erdboden stöhnte, und aus der Stadt drang ein Schrei hervor. Wie ein ohrenzerreißendes Kreischen klang er, vermischt mit hohen, krächzenden Lauten wie von Raubvögeln und dem schrillen Wiehern angsttoller Pferde, lange nachzitternd und schnell zu einer schmerzhaften Höhe jenseits der Hörbarkeit ansteigend. Die Hobbits fuhren zusammen, warfen sich zu Boden und hielten sich die Ohren zu.
    Als der entsetzliche Schrei, in einem langen, klagenden Misston ausklingend, endlich verstummt war, hob Frodo langsam den Kopf. Am gegenüberliegenden Hang des engen Tals, fast in Höhe seiner Augen, standen die Mauern der bösen Stadt, und das Tor, wie der Eingang zu einer Höhle oder wie ein Rachen mit blitzenden Zähnen, klaffte weit offen. Und aus dem Tor kam ein Heer.
    Alle waren sie in schwarzer Rüstung: schwarz wie die Nacht. Vor den fahlen Mauern und dem schimmernden Pflaster der Straße konnte Frodo die Krieger erkennen, kleine schwarze Gestalten, wie sie rasch und stumm herausmarschiert kamen, Reihe für Reihe in endloser Folge. Vor ihnen her zog ein großer Trupp Reiter, die sich bewegten wie Schatten in Reih und Glied, und an ihrer Spitze ritt einer, der größer war als alle andern, ganz in Schwarz bis auf den Helm, den er wie eine Krone über der Kapuze trug und der ein drohendes, flackerndes Licht ausstrahlte. Jetzt näherte er sich derBrücke. Frodos Augen hingen an ihm fest, unfähig, zu blinzeln oder sich abzuwenden. Dies war er doch gewiss, der Fürst der Neun Reiter, auf den Erdboden zurückgekehrt, um sein Geisterheer in die Schlacht zu führen. Da, ja, da war er, der bleiche König, dessen kalte Hand mit dem tückischen Messer den Ringträger niedergestreckt hatte. In der alten Wunde regte sich ein pochender Schmerz, und eine Eiseskälte griff Frodo nach dem Herzen.
    Während Frodo unter dem Bann dieser grauenvollen Erinnerung wie gelähmt war, hielt der Reiter vor der Brücke plötzlich an, und der ganze Heereszug hinter ihm kam zum Stehen. Eine Pause trat ein, Totenstille. Vielleicht war es der Ring, der sich dem Geisterfürsten bemerkbar machte, und für einen Augenblick war er unruhig, spürte die Anwesenheit einer anderen Macht in diesem seinem Tal. Hin und her drehte er den schwarzen Kopf mit der Schreckenskrone, durchkämmte die Schatten mit seinen unsichtbaren Augen. Frodo wartete, starr wie das Kaninchen vor der Schlange, keiner Bewegung fähig. Und während er wartete, spürte er, gebieterischer als je zuvor, den Befehl, den Ring aufzustreifen. Aber so sehr es ihn auch drängte, war er doch jetzt nicht bereit zu gehorchen. Er wusste, dass ihn der Ring nur verraten würde und dass er, selbst wenn er ihn auf den Finger steckte, nicht die Kraft hätte, es mit dem Morgulkönig aufzunehmen – noch nicht. Nichts, das in seinem eigenen Willen lag, so sehr der Schrecken ihn lähmte, kam diesem Befehl nun mehr entgegen; er spürte nur, wie eine

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