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Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Titel: Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John R Tolkien
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große Kraft von außen auf ihn eindrang. Die Kraft nahm seine Hand, und Frodo konnte, ohne es zu wollen, doch in gespannter Erwartung (als sähe er eine alte Geschichte in weiter Ferne vor Augen), innerlich zuschauen, wie seine Hand Zoll für Zoll zu der Kette hingeschoben wurde, die er um den Hals trug. Dann regte sich sein eigener Wille, und langsam zog er die Hand zurück und ließ sie nach etwas anderem suchen, nach etwas, das verborgen an seiner Brust lag. Kalt und hart schien es ihm, als sich die Hand darum schloss: Galadriels Phiole, die er so lange schon bei sich getragen und bis zu dieser Stunde beinah vergessen hatte. Als er sie jetzt berührte, wurde für eine Weilejeder Gedanke an den Ring aus seinem Sinn verbannt. Er seufzte und senkte den Kopf.
    In diesem Augenblick wandte der Geisterkönig sich ab, gab seinem Pferd die Sporen und ritt über die Brücke, und sein ganzes dunkles Heer folgte ihm. Vielleicht hatten die Elbenkapuzen seine blicklosen Augen abgewiesen, und der Wille seines kleinen Feindes hatte Verstärkung erhalten und seine Gedanken in eine andere Richtung gelenkt. Aber er war in Eile. Die Stunde hatte geschlagen, und auf Geheiß seines großen Gebieters musste er den Westen mit Krieg überziehen.
    Bald war er um die Biegungen der Straße verschwunden, wie ein Schatten sich unter Schatten auflöst, und hinter ihm her marschierten noch immer die schwarzen Kolonnen über die Brücke. Seit Isildurs Tagen war noch nie ein so großes Heer von diesem Tal ausgezogen; kein so starkes und so gut gerüstetes hatte je die Furten des Anduin angegriffen; und doch war es nur eines und nicht das größte von denen, die Mordor nun ins Feld schickte.
    Frodo rührte sich. Und gleich wurde ihm das Herz schwer vor Sorge um Faramir. »Nun bricht der Sturm los«, dachte er. »Dies riesige Aufgebot von Speeren und Schwertern zieht nach Osgiliath. Wird Faramir rechtzeitig über den Fluss kommen? Er hat es geahnt, aber konnte er die Stunde voraussehen? Und wer kann die Furten halten, wenn der König der Neun Reiter selbst kommt? Und andere Heere werden auch noch kommen. Ich bin zu spät. Alles ist verloren. Ich habe zu lange getrödelt. Alles vergebens. Selbst, wenn ich meinen Auftrag erfülle, niemand wird es mehr erfahren. Niemandem werde ich es mehr berichten können. Es wird vergebens sein.« Von Schwäche übermannt, weinte er. Und immer noch zog das Heer des Morgulfürsten über die Brücke.
    Dann, aus weiter Ferne, als käme sie aus Erinnerungen ans Auenland, an einen schönen Morgen, als die Sonne durchs Fenster schien und die Türen geöffnet wurden, hörte er Sams Stimme: »Wach auf, Master Frodo! Wach auf!« Hätte die Stimme noch hinzugefügt:»Das Frühstück steht auf dem Tisch«, so hätte es ihn kaum überrascht. Jedenfalls drängte Sam sehr beharrlich. »Wach auf, Master Frodo! Sie sind fort«, sagte er.
    Es gab einen dumpfen Knall. Das Tor von Minas Morgul hatte sich geschlossen. Die letzte Reihe Speere war nicht mehr zu sehen. Der Turm grinste immer noch über das Tal hin, aber das Licht darin schwand. Die ganze Stadt sank in stilles Brüten und Dahindämmern. Doch ihre Wachsamkeit war nicht eingeschläfert.
    »Wach auf, Master Frodo! Sie sind fort, und wir machen uns besser auch auf die Beine. Da drinnen ist immer noch Leben, irgendwas mit Augen im Kopf, etwas, das denkt und auch sehen kann, wenn du mich recht verstehst; und je länger wir an einem Fleck bleiben, desto eher findet es uns. Los, komm, Master Frodo!«
    Frodo hob den Kopf, dann stand er auf. Die Verzweiflung hielt an, aber die Schwäche war vergangen. Er brachte sogar ein grimmiges Lächeln zustande, denn nun fühlte er ebenso deutlich, wie er vor einem Moment noch das Gegenteil gefühlt hatte – dass er tun musste, was er tun musste, wenn er konnte, und dass es überhaupt nicht darauf ankam, ob Faramir, Aragorn, Elrond, Galadriel, Gandalf oder wer auch immer je davon erfahren würden. Er nahm den Wanderstab in die eine Hand und die Phiole in die andere. Als er sah, dass ihm das reine Licht durch die Finger quoll, schob er sie in seine Brusttasche und drückte sie sich ans Herz. Dann kehrte er der Morgul-Stadt den Rücken, die nun nur noch ein grauer Schimmer hinter einer dunklen Kluft war, und machte sich bereit für den weiteren Aufstieg.
    Gollum war anscheinend, als das Tor von Minas Morgul aufging, über den Felssims davongekrochen in die Dunkelheit, die dahinter kam, und hatte die Hobbits da, wo sie lagen, ihrem Schicksal

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