Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
sagte Pippin lachend. »Und dasselbe könnte ich vielleicht mit dir machen. Wir kennen auch so ein paar Griffe in unserem Ländchen. Und ich, lassdir’s gesagt sein, gelte dort als ungewöhnlich groß und stark; auf den Kopf gestellt hat mich noch keiner! Wenn es also zur Kraftprobe käme und es nicht anders ginge, müsste ich dich vielleicht umbringen. Wenn du älter wirst, lernst du noch, dass die Leute nicht immer so sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Du hast wohl gedacht, ich bin ein kleiner Junge aus der Fremde und leichte Beute, aber da sieh dich vor: Ich bin ein Halbling, ein ganz beherzter Bursche!« Pippin setzte eine so grimmige Miene auf, dass der Junge einen Schritt zurückwich, aber gleich darauf ging er wieder vor, mit geballten Fäusten und einem kampflustigen Funkeln in den Augen.
»Nicht doch!«, sagte Pippin und lachte. »Du darfst nicht alles glauben, was ein Fremder von sich selbst sagt. Ich bin kein großer Schläger. Aber höflicher wär es jedenfalls, wenn der Herausforderer erst mal sagte, wer er ist.«
Der Junge reckte stolz den Kopf hoch. »Ich bin Bergil, Beregonds Sohn, und mein Vater ist bei der Wache«, sagte er.
»Hab ich’s mir doch gedacht!«, sagte Pippin. »Denn du siehst deinem Vater ähnlich. Ich kenne ihn, und er hat mich zu dir geschickt.«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, sagte Bergil, auf einmal mit bestürzter Miene. »Sag bloß nicht, er hat sich’s anders überlegt und will mich jetzt doch mit den Mädchen fortschicken! Aber nein, die letzten Wagen sind ja schon abgefahren.«
»So schlimm ist es nicht, was ich dir sagen soll, wenn auch nicht gut. Er sagt, ob du mich nicht lieber, statt mich auf den Kopf zu stellen, ein Weilchen in der Stadt herumführen und mir über das Alleinsein hinweghelfen willst? Dafür kann ich dir auch allerlei Geschichten aus fernen Ländern erzählen.«
Bergil schlug die Hände zusammen und lachte vor Erleichterung auf. »Dann ist ja alles gut!«, rief er. »Los, komm! Wir wollten zum Tor gehn und zuschauen. Gehn wir gleich!«
»Was gibt’s denn dort?«
»Die Hauptleute aus den äußeren Lehen werden vor Sonnenuntergang auf der Straße von Süden erwartet. Komm mit uns, und du wirst sie sehen!«
Bergil erwies sich als ein guter Begleiter, für Pippin die beste Gesellschaft, seit er sich von Merry getrennt hatte, und bald schwätzten und lachten sie munter, während sie durch die Straßen gingen, ohne sich drum zu kümmern, wie sie von den Menschen angegafft wurden. Bald waren sie in einer Menge, die zum Großen Tor hinströmte. Dort wurde Pippin für Bergil sogar zur Respektsperson, denn als er seinen Namen und das Losungswort nannte, grüßte ihn der Wachtposten und ließ ihn durch; und obendrein durfte er auch seinen Begleiter mitnehmen.
»Das ist gut«, sagte Bergil. »Wir Jungen dürfen nur noch zusammen mit einem Erwachsenen durchs Tor hinaus. Nun werden wir besser sehen können.«
Draußen vor dem Tor stand eine Menschenmenge am Rand der Straße und des großen gepflasterten Platzes, in den alle Wege nach Minas Tirith einmündeten. Alle Augen schauten nach Süden, und bald hörte man ein Gemurmel: »Dahinten ist eine Staubwolke! Sie kommen!«
Pippin und Bergil drängten sich bis in die vordersten Reihen durch und warteten. In einiger Entfernung erschallten Hörner, und der Lärm der Jubelrufe lief durch die Reihen wie ein auffrischender Wind. Dann kam ein lauter Trompetenstoß, und ringsum brachen die Leute in Geschrei aus.
»Forlong! Forlong!«, hörte Pippin sie rufen. »Was sagen sie?«, fragte er.
»Forlong ist gekommen«, antwortete Bergil, »Forlong der Dicke, der Herr von Lossarnach. Das ist da, wo mein Großvater wohnt. Hurra, da ist er! Der gute alte Forlong!«
Vor dem Zug einher schritt ein großes, starkknochiges Pferd, und auf ihm saß ein Mann mit breiten Schultern und gewaltigem Leibesumfang, alt und graubärtig, doch im Panzerhemd und mit einem schwarzen Helm auf dem Kopf, in der Hand einen schweren Langspeer. Hinter ihm marschierte stolz eine staubbedeckte Kolonne wohlgerüsteter Mannen mit großen Streitäxten heran; grimmige Gesichter hatten sie und waren etwas kleiner und dunkelhäutiger als alle Menschen, die Pippin in Gondor bisher gesehen hatte.
»Forlong!«, riefen die Menschen. »Die treue Seele, ein wahrer Freund! Forlong!« Aber als die Männer aus Lossarnach vorüber waren, murrten sie: »So wenige! Zweihundert, was ist das schon? Auf zehnmal so viele hatten wir gehofft. Das
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