Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
sich drum zu kümmern, ob der ihn hören kann.
Doch nun hatten auch die geflügelten Schatten den neu Hinzukommenden bemerkt, und einer flatterte ihm entgegen; doch Pippin glaubte zu sehen, wie der Weiße die Hand hob und wie ein weißer Lichtstrahl davon aufwärts zuckte. Der Nazgûl stieß einen langgedehnten klagenden Schrei aus und drehte ab, und das schien auch den vier anderen nicht zu gefallen, denn sie schraubten sich in engen Spiralen in die Höhe und verschwanden nach Osten in der tiefhängenden Wolkendecke; und unten auf dem Pelennor schien es für eine Weile etwas weniger dunkel zu sein.
Pippin schaute weiter zu. Der angegriffene Reiter und der Weiße trafen zusammen, hielten an und warteten auf die Männer, die zu Fuß waren. Aus der Stadt eilten ihnen nun manche entgegen, und bald waren sie alle unter den Außenmauern, wo er sie nicht sehen konnte, aber er wusste, dass sie nun durchs Tor kamen. Er dachte sich, dass sie sogleich zum Turm und zum Statthalter hinaufsteigen würden, und eilte zum Eingang der Zitadelle. Dort traf er viele andere, die ebenfalls das Wettrennen und die Rettung von den Mauern herab beobachtet hatten.
Nicht lange, und aus den Straßen, die von den unteren Stadtkreisen heraufführten, war lautes Jubelgeschrei zu hören, und immer wieder wurden die Namen Faramir und Mithrandir gerufen. Gleich darauf sah Pippin Fackeln, und gefolgt von einer Menschenmenge kamen zwei Reiter in langsamem Schritt: der eine in Weiß, aber nun nicht mehr leuchtend, sondern bleich im Dämmerlicht, als ob sein Feuer nun verglüht oder verhüllt wäre; der andere dunkel und mitgesenktem Kopf. Sie saßen ab, und als die Stallburschen Schattenfell und das andere Pferd wegführten, traten sie zu dem Wachtposten am Tor, Gandalf mit festem Schritt, den grauen Mantel zurückgeworfen und immer noch eine schwelende Glut in den Augen, der andere, der ganz in Grün gekleidet war, langsam und ein wenig taumelnd wie einer, der erschöpft oder verwundet ist.
Pippin drängte sich nach vorn, als sie unter der Lampe am Torbogen hindurchgingen, und beim Anblick von Faramirs bleichem Gesicht hielt er den Atem an. Es war das Gesicht eines Menschen, der, von einer heftigen Furcht gequält, ihr standgehalten hat und nun ganz ruhig ist. Stolz und ernst sah er aus, als er einen Moment stehen blieb und mit dem Wachtposten sprach, und Pippin bemerkte nun, wie ähnlich er seinem Bruder Boromir war – den Pippin von Anfang an gemocht und wegen seines etwas großspurigen, aber freundlichen Wesens bewundert hatte. Faramir aber schloss er sogleich mit einem Gefühl ins Herz, das er bisher nicht gekannt hatte. Hier war einer von edlem Gebaren, wie es Aragorn bisweilen an den Tag legte, weniger erhaben vielleicht, aber auch weniger unberechenbar und entrückt: ein König der Menschen, in eine spätere Zeit hineingeboren, aber mit einem Erbteil von der Weisheit und Traurigkeit des Älteren Geschlechts. Er verstand nun, warum Beregond so liebevoll von ihm sprach. Das war ein Hauptmann, dem Männer folgen würden, dem er selbst folgen würde, und ginge es in den Schatten der schwarzen Flügel.
»Faramir!«, rief er laut im Chor mit den anderen. »Faramir!« Und Faramir, der unter den Zurufen die fremde Stimme heraushörte, drehte sich um und blickte erstaunt zu ihm herab.
»Woher kommst du?«, sagte er. »Ein Halbling und in der Tracht der Turmwache! Woher …?«
Aber da trat Gandalf hinzu. »Er ist mit mir aus dem Land der Halblinge gekommen«, sagte er. »Aber halten wir uns hier nicht länger auf! Es gibt so viel zu tun und zu sagen, und du bist erschöpft. Er soll mitkommen. Er muss es sogar, denn wenn er an seine neuen Aufgaben nicht pflichtvergessener herangeht als ich, dann muss erseinem Gebieter binnen einer Stunde wieder zur Verfügung stehn. Komm, Pippin, geh mit uns!«
So kamen sie schließlich ins Privatkabinett des Statthalters. Stühle und Schemel standen dort um ein Kohlenbecken, Wein wurde gebracht, und Pippin, der kaum beachtet hinter Denethors Platz stand, vergaß seine Müdigkeit, so gespannt hörte er allem zu, was besprochen wurde.
Nachdem Faramir ein Stück weißes Brot gegessen und einen Schluck Wein getrunken hatte, setzte er sich auf einen niedrigen Stuhl zur Linken seines Vaters. Ein wenig abgerückt auf der andern Seite saß Gandalf auf einem geschnitzten hölzernen Stuhl; und zuerst schien er zu schlafen. Denn zu Anfang sprach Faramir nur von dem Unternehmen, zu dem er vor zehn Tagen ausgeschickt worden
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