Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
der Straße stand das Hauptheer der Haradrim, und deren Reiter scharten sich nun um ihren Häuptling. Und als der Häuptling im zunehmenden Lichtdas Banner des Königs erkannte und sah, dass es weit vor der Schlachtordnung hielt, nur von wenigen Männern umgeben, da packte ihn die Kampfeslust. Mit einem lauten Schrei entrollte er seine Standarte, die schwarze Schlange im scharlachroten Feld, und kam mit einem großen Haufen gegen das weiße Pferd im grünen Feld angeritten; und die Skimitare der Südländer funkelten wie die Sterne.
Nun bemerkte ihn Théoden, und ohne seinen Angriff abzuwarten, stürmte er ihm mit einem Zuruf an Schneemähne geradewegs entgegen. Laut war das Getöse, als sich ihre Waffen begrüßten. Aber die Weißglut der Nordmänner brannte heißer, sie waren geübter im Reiterkampf und hatten die längeren Speere. Obwohl in der Minderzahl, bohrten sie sich durch die Südländer, wie der Blitz durch einen Wald schlägt. Mitten durch die Feinde stieß Théoden, Thengels Sohn, und sein Speer zersplitterte, als er den Häuptling fällte. Sein Schwert fuhr aus der Scheide, er sprengte zur Standarte, hieb die Stange durch und den Träger, und die schwarze Schlange sank in den Staub. Alles, was von der Reiterei der Südländer noch übrig war, machte kehrt und suchte das Weite.
Doch was musste man sehen? Mitten im höchsten Ruhmesglanz verdunkelte sich des Königs goldener Schild. Wie vom Himmel gewischt, verschwand der neue Morgen. Dunkelheit senkte sich um den König. Pferde bäumten sich auf und gingen wiehernd durch. Abgeworfene Reiter wanden sich am Boden.
»Zur mir! Zu mir!«, rief Théoden. »Auf, Söhne Eorls! Keine Furcht vor dem Dunkel!« Aber Schneemähne, rasend vor Angst, stieg mit den Vorderhufen hoch auf, schlug in der Luft aus und stürzte schmerzlich wiehernd auf die Seite. Ein schwarzer Pfeil hatte den Hengst durchbohrt. Der König lag unter ihm.
Der Schatten sank herab, groß wie eine Wolke. Ein Flügeltier war es, vielleicht ein Vogel, aber größer als alle andern Vögel, nackt, ohne Fell oder Gefieder, die riesigen Schwingen wie Schuppenhäute zwischen hornbewehrten Fingergliedern; und der Gestank war betäubend. Ein Geschöpf aus einer älteren Welt mochte es sein, dessen Art seine Zeit überlebt hatte; und in einem unwirtlichen Horst unterm kalten Mond in vergessenen Gebirgen war nun diese unzeitige Brut gezeugt worden, tauglich zu allem Bösen. Und der Dunkle Herrscher hatte sich seiner angenommen, es mit verruchtem Fleisch gefüttert, sodass es über jedes Maß anderer Flügelwesen hinauswuchs, und es seinem Diener als Reittier gegeben. Tiefer und tiefer sank es herab, und dann, die Schuppenhäute zusammenfaltend, ließ es sich mit einem krächzenden Schrei auf Schneemähne nieder, schlug ihm die Klauen in den Leib und bog den langen, nackten Hals zu ihm herunter.
Auf ihm saß ein Reiter, ein riesiger, drohender Recke in einem schwarzen Mantel. Eine stählerne Krone trug er, aber zwischen ihrem Rand und dem Mantel war nichts zu sehen, nur ein böses Funkeln anstelle der Augen: der Fürst der Nazgûl. Sein Luftross hatte er herbeigerufen, ehe die Dunkelheit aufriss, und da war er wieder, Verderben bringend, Hoffnung in Verzagen und Sieg in Tod verwandelnd. Eine schwere schwarze Keule schwang er.
Aber Théoden war nicht von allen verlassen. Tot lagen die Ritter seines Hauses um ihn oder wurden von ihren durchgehenden Pferden weit davongetragen. Doch einer stand noch auf den Beinen: der junge Dernhelm, treu ergeben trotz des Grauens; und er weinte um den König, denn er hatte ihn wie einen Vater geliebt. Während der Attacke war Merry unbeschadet hinter ihm im Sattel geblieben, bis der Schatten herabkam; dann hatte Windfola gescheut und sie beide abgeworfen, und nun rannte es wie gehetzt über die Felder davon. Wie ein benommenes Tier kroch Merry auf allen vieren beiseite; ihm war übel vor Angst, und er konnte nichts sehen.
»Schwertthan des Königs! Du bist sein Gefolgsmann!«, schrie eine Stimme in seinem Herzen. »Du musst ihm beistehn! ›Wie ein Vater will ich Euch ehren‹, hast du gesagt.« Aber sein Wille konnte sich zu keiner Antwort aufraffen, und sein Körper zitterte bloß. Er wagte nicht, die Augen zu öffnen oder aufzublicken.
Dann, aus der Nachtschwärze seiner Sinne, glaubte er Dernhelm sprechen zu hören: Doch nun klang seine Stimme sonderbar und erinnerte ihn an eine andere, die er kannte.
»Verschwinde, leichenschändendes Scheusal, Fürst der Aasgeier!
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