Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Aschenregen des verbrannten Außenrings und weiter die steinernen Straßen hinauf. Merry kam es wie ein sinnloser Marsch in einem abscheulichen Traum vor, ewig bergauf und immer weiter und weiter, bis zu einem undeutlichen Ziel, das dem Gedächtnis entgleitet.
Allmählich brannten die Fackeln vor ihm nieder und erloschen, und er ging im Dunkeln weiter und dachte: »Dies ist ein Tunnel, der in eine Grabkammer führt; und da bleiben wir dann für immer.« Doch plötzlich drang eine vertraute Stimme in seinen Traum.
»Ja, Merry! Wie gut, dass ich dich gefunden habe!«
Er blickte auf, und der Nebel vor seinen Augen lichtete sich ein wenig. Da war Pippin! In einem schmalen Gässchen standen sie sich gegenüber, und außer ihnen beiden war niemand in der Nähe. Er rieb sich die Augen.
»Wo ist der König?«, sagte er. »Und Éowyn?« Dann taumelte er, setzte sich auf eine Türschwelle und begann wieder zu weinen.
»Sie haben sie in die Zitadelle hinaufgebracht«, sagte Pippin. »Du musst im Gehen eingeschlafen und irgendwo falsch abgebogen sein. Als wir sahen, dass du nicht bei ihnen warst, hat Gandalf gesagt, ich soll dich suchen gehn. Armer, alter Merry! Was bin ich froh, dich wiederzusehen! Aber du bist ja ganz kaputt, und ich will dir jetzt nicht die Ohren vollquasseln. Sag mir nur, bist du krank oder verwundet?«
»Nein«, sagte Merry. »Jedenfalls glaub ich es nicht. Aber ich kann den rechten Arm nicht gebrauchen, Pippin, seit ich ihn ins Knie gestochen hab. Und mein Schwert ist einfach verbrannt, wie ein Stück Holz.«
Pippin schaute besorgt drein. »Na, komm lieber gleich mit, so schnell du kannst«, sagte er. »Ich wollte, ich könnte dich tragen. Du kannst ja kaum mehr laufen. Sie hätten dich nicht zu Fuß gehn lassen sollen, aber du musst sie entschuldigen. In der Stadt sind so viele furchtbare Sachen passiert, Merry, dass ein armer Hobbit, der vom Schlachtfeld kommt, leicht übersehen wird.«
»Das ist nicht immer ein Nachteil, übersehen zu werden«, sagte Merry. »Grad eben wurde ich auch übersehen vom … nein, nein, ich kann nicht drüber reden. Hilf mir, Pippin! Jetzt wird wieder alles dunkel, und mein Arm ist so kalt.«
»Merry, mein Junge, stütz dich auf mich!«, sagte Pippin. »So, komm! Einen Fuß vor den andern. Es ist nicht weit.«
»Willst du mich begraben?«, sagte Merry.
»Unsinn!«, sagte Pippin, und es sollte aufmunternd klingen, obwohl ihm das Herz schwer war vor Furcht und Mitleid. »Nein, wir gehn zu den Häusern der Heilung.«
Aus der Gasse, die zwischen hohen Häusern und der Außenmauer des vierten Rings verlief, kamen sie wieder auf die Hauptstraße, die zur Zitadelle hinaufführte. Schritt für Schritt kamen sie voran, Merry taumelnd und wie im Schlaf vor sich hin murmelnd.
»So bekomm ich ihn nie dort hinauf«, dachte Pippin. »Ist denn niemand da, der mir helfen kann? Ich kann ihn doch hier nicht allein lassen.« Ebenda kam zu seiner Überraschung ein Junge hinter ihnen herangelaufen, und als er vorüberrannte, sah er, dass es Bergil war, Beregonds Sohn.
»Hallo, Bergil!«, rief er. »Wo willst du hin? Ich bin froh, dich wiederzusehen, und gesund und munter.«
»Ich mache Besorgungen für die Heiler«, sagte Bergil. »Ich kann mich nicht aufhalten.«
»Gut«, sagte Pippin. »Aber sag oben Bescheid, dass ich einen kranken Hobbit hier habe, einen Perian, wohlgemerkt, der gerade vom Schlachtfeld kommt. Ich glaube nicht, dass er so weit laufen kann. Wenn Mithrandir da ist, wird er über die Nachricht froh sein.« Bergil rannte weiter.
»Ich warte lieber hier«, dachte Pippin. Er ließ Merry sachte aufs Pflaster sinken, an einer Stelle, wo die Sonne hinschien, setzte sich neben ihn und bettete Merrys Kopf in seinen Schoß. Behutsam betastete er Körper und Gliedmaßen seines Freundes und nahm seine Hände. Die rechte fühlte sich eiskalt an.
Nicht lange, und Gandalf kam selbst, um sie zu holen. Er beugte sich über Merry und strich ihm über die Stirn; dann hob er ihn auf. »Er hätte mit einem Ehrengeleit in die Stadt getragen werden sollen«, sagte er. »Nicht umsonst hab ich ihm vertraut. Hätte Elrond mir nicht nachgegeben, wäre keiner von euch beiden mit auf die Fahrt gegangen; und dann wäre dieser Tag noch viel schlimmer ausgegangen.« Er seufzte. »Und doch hab ich nun wieder eine Sorge mehr am Hals, und die ganze Zeit hängt der Ausgang der Schlacht am seidenen Faden.«
Endlich lagen also Faramir, Éowyn und Meriadoc zu Bett in den Häusern der Heilung, und
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