Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
noch einen Happen zu essen und dann nichts mehr, bis auf das Wegbrot der Elben.«
»Ich will sehen, dass ich ein bisschen schneller laufe, Sam«, sagte Frodo und holte tief Luft. »Komm, auf zum nächsten Marsch!«
Es war noch nicht wieder ganz dunkel. Sie liefen weiter die Nacht hindurch. Die Stunden vergingen bei mühsamem Voranstolpern mit wenigen kurzen Pausen. Als das erste graue Licht unter den Rändern des schwarzen Wolkendaches hereinschien, versteckten sie sich wieder, diesmal in einer dunklen Mulde unter einem überhängenden Stein.
Langsam nahm das Licht zu und wurde heller, als sie es hier je gesehen hatten. Ein starker Westwind vertrieb Mordors Ausdünstungen nun auch aus den oberen Lüften. Bald konnten die Hobbits die Beschaffenheit des Geländes auf einige Meilen im Umkreis erkennen. Die Rinne zwischen dem Schattengebirge und dem Morgai war nach Norden stetig angestiegen und zugleich schmaler geworden, und der innere Kamm war nur noch ein Sims an den hohen Felswänden des Ephel Dúath; nach Osten aber fiel er so steil wie zuvor zur Gorgoroth ab. Ein Stück weit voraus endete das Bachbett unter klobig aufsteigenden Felsstufen, denn aus der Bergkette sprang dort ein hoher, kahler Dorn vor und zog sich nach Osten wie eine Mauer. Aus der grauen, nebelverhangenen nördlichen Bergkette, den Ered Lithui, streckte sich ihm ein langer Arm entgegen; und zwischen beiden Enden war eine schmale Lücke: Carach Angren, das Isenmaul, der Eingang in das tiefe Tal von Udûn. In diesem Tal, an der Rückseite des Morannon, befanden sich die Stollen und unterirdischen Waffenkammern, die Mordors Diener zur Verteidigung des Schwarzen Tors angelegt hatten; und hier zog der Herrscher nun in aller Eile große Streitkräfte zusammen, um dem Angriff des Westens zu begegnen. Auf den vorspringenden Gebirgsarmen standen Festungen und Wehrtürme, und Wachtfeuer brannten; und vor der Lücke zwischen ihnen war ein Erdwall aufgeworfen und ein tiefer Graben ausgehoben, über den nur eine einzige Brücke hinüberführte.
Einige Meilen nördlich vor den Hobbits, hoch auf den Bergen in dem Winkel, wo der westliche Ausläufer von der Hauptkette abzweigte, stand die alte Burg Durthang, nun eine der vielen Ork-Festungen um das Tal von Udûn. Eine Straße, in dem zunehmendenLicht schon aus dieser Entfernung sichtbar, wand sich von dort herab, bis sie, nur ein oder zwei Meilen vor dem Versteck der Hobbits, auf einem in den Hang des Ausläufers gehauenen Sims nach Osten abbog, in die Ebene hinunter und zum Isenmaul.
Was sie vor sich sahen, schien den Hobbits zu zeigen, dass ihr ganzer Marsch nach Norden sinnlos gewesen war. Die Ebene zur Rechten lag unter Rauchschleiern, und sie konnten dort weder Feldlager noch marschierende Truppen erkennen; doch das gesamte Gebiet lag unter den wachsamen Augen der Festungen von Carach Angren.
»Wir sind in eine Sackgasse gelaufen, Sam«, sagte Frodo. »Wenn wir so weiter gehen, kommen wir nur zu diesem Orkturm, aber der einzige Weg, den wir nehmen können, ist die Straße, die von dort herabkommt – es sei denn, wir wollten umkehren. Nach Westen hinaufsteigen können wir nicht, und nach Osten hinunter auch nicht.«
»Dann nehmen wir doch die Straße, Herr Frodo!«, sagte Sam. »Wir müssen sie nehmen und unser Glück versuchen, wenn es so was wie Glück in Mordor überhaupt gibt. Weiter hier durch die Gegend zu trotten oder umzukehren, wäre so gut wie sich dem Feind ergeben. Unser Essvorrat reicht nicht. Wir müssen das letzte Stück im Eilmarsch schaffen.«
»Schön, Sam«, sagte Frodo. »Geh du voran! Solange du noch etwas Hoffnung hast. Ich habe keine mehr. Aber für einen Spurt bin ich nicht mehr gut. Ich kann nur noch hinter dir hertrotten.«
»Bevor du weitertrottest, musst du erst mal schlafen und etwas essen, Herr Frodo. Gönn dir beides, so gut es geht!«
Er gab Frodo Wasser und eine Waffel mehr von dem Wegbrot, als ihm zustand, und aus seinem Mantel machte er ihm ein Kopfkissen. Frodo war zu müde, um zu widersprechen, und Sam sagte ihm nicht, dass es der letzte Schluck Wasser war, den er trank, und dass er außer seiner eigenen auch Sams Ration verzehrte. Als Frodo eingeschlafen war, beugte Sam sich über ihn, horchte auf seinen Atem und musterte sein Gesicht. Es war zerfurcht und eingefallen, unddennoch sah es im Schlaf friedlich und sorglos aus. »So, es muss sein, Master«, murmelte er in sich hinein. »Ich muss dich eine Weile allein lassen und auf unser Glück vertrauen. Wir
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