Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
verblasst.«
Sam trat zu ihm und küsste seine Hand. »Je eher wir ihn loswerden, desto eher haben wir Ruhe«, sagte er stockend, weil ihm nichts Besseres einfiel. »Vom Reden wird es nicht besser«, murmelte er insich hinein, als er alles aufsammelte, das sie wegwerfen wollten. Er gedachte, nichts hier offen liegen zu lassen, wo jemand es sehen könnte. »Anscheinend hat der Stinker sich diesen Orkpanzer genommen, und nun soll er nicht auch noch ein Schwert bekommen. Er ist auch mit bloßen Händen schon gefährlich genug. Und meine Pfannen bekommt er nicht in die Finger!« Er trug das ganze Zeug zu einer der vielen klaffenden Bodenspalten, die das Land zerrissen, und warf es hinein. Das Scheppern seiner geliebten Pfannen, als sie ins Dunkel hinabstürzten, klang ihm wie Totengeläut im Ohr.
Er kam zu Frodo zurück und schnitt von seinem elbischen Seil ein kurzes Stück ab, als Gürtel für Frodo, mit dem er sich den grauen Mantel eng um den Leib band. Den Rest rollte er sorgfältig zusammen und steckte ihn wieder in den Rucksack. Außerdem nahm er nur noch die Reste an Wegbrot und die Wasserflasche mit; Stich trug er am Gürtel, und in einer Brusttasche seiner Jacke steckten Galadriels Phiole und die kleine Schachtel, die ihm die hohe Frau geschenkt hatte.
Nun endlich wandten sie sich dem Berg zu und brachen auf, nicht mehr bemüht, sich zu verbergen, sondern dem müden Körper und dem erschlaffenden Willen nur die eine Aufgabe zumutend: weiterzugehen. Im trüben Tageslicht hätten von den vielen Augen, die dieses Land überwachten, nur sehr wenige sie sehen können, es sei denn aus nächster Nähe. Von allen Dienern des Dunklen Herrschers hätten allein die Nazgûl ihn vor der Gefahr warnen können, die nun klein, aber unentwegt mitten ins Herz seines bewachten Reichs kroch. Doch die Nazgûl und ihre schwarzen Flügelrosse hatten anderswo zu tun: Weit von hier hatten sie sich gesammelt, um das Heer des Westens auf seinem Vormarsch zu beschatten; und dorthin hatte auch der Dunkle Turm seine Gedanken gerichtet.
An diesem Tag schien es Sam, dass Frodo eine neue Kraft gefunden hatte, mehr als sich aus der geringen Erleichterung seiner Traglast erklärte. In der ersten Tageshälfte kamen sie weiter und schneller voran, als er zu hoffen gewagt hatte. Das Land war unwegsamund widrig, und doch legten sie eine ansehnliche Strecke zurück, und der Berg kam immer näher. Als aber der Tag zur Neige ging und das trübe Licht allzu bald zu schwinden begann, ließ Frodo den Kopf wieder hängen und taumelte im Gehen, als hätte er mit der erneuten Anstrengung die letzten Kräfte vertan.
Bei der nächsten Rast sank er zu Boden und sagte: »Durst, Sam!«, und dann sagte er nichts mehr. Sam gab ihm einen Schluck Wasser, den vorletzten aus seiner Flasche. Er selbst trank nicht; und als sich nun wieder die Nacht von Mordor um sie schloss, durchströmte die Erinnerung an Wasser alle seine Gedanken; und jeder Fluß, Bach oder Quell, den er je gesehen hatte, im grünen Weidenschatten oder in der Sonne blitzend, plätscherte und rieselte zu seiner Qual hinter der Blindheit seiner Augen. Er spürte den kühlen Schlamm um die Zehen, als er mit Jupp Hüttinger, mit Tom und Sepp und ihrer Schwester Rosie im Wasserauer See planschte. »Aber das war vor Jahren«, seufzte er, »und weit von hier. Der Heimweg, wenn es einen geben sollte, führt über diesen Berg.«
Er konnte nicht einschlafen und verwickelte sich in ein Streitgespräch mit sich selbst. »Lass gut sein, wir haben uns doch besser gehalten, als du dachtest«, sagte er sich tapfer. »Jedenfalls zu Anfang. Ich schätze, den halben Weg haben wir zurückgelegt, ehe wir anhielten. Noch ein Tag wird genügen.« Und dann kamen ihm Bedenken.
»Sei nicht blöd, Sam Gamdschie«, hörte er seine eigene Stimme antworten. »Er hält keinen Tag in der Gangart mehr durch, wenn er überhaupt noch laufen kann. Und du kommst auch nicht mehr viel weiter, wenn du alles Wasser und das meiste von dem Proviant ihm gibst.«
»Ich kann noch ein ganzes Stück weit laufen, und das tu ich auch.«
»Und wohin?«
»Zu dem Berg natürlich.«
»Aber was dann, Sam Gamdschie, was dann? Wenn ihr da hinkommt, was willst du dann machen? Er wird nicht imstande sein, irgendwas selbst zu tun.«
Zu seinem Unbehagen erkannte Sam, dass er darauf nichts zu erwidern wusste. Er hatte überhaupt keine klare Vorstellung davon, was geschehen solle. Frodo hatte nie viel mit ihm über sein Vorhaben gesprochen, und Sam
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