Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
wo du hinwillst, und es geht los!«
Als Frodo an seinem Rücken hing, die Arme lose um seinen Hals, die Beine unter seinen Armen festgeklemmt, richtete Sam sich vorsichtig auf und fand die Last zu seiner Überraschung gar nicht so schwer. Er hatte befürchtet, dass seine Kraft kaum ausreichen werde, Frodo auch nur für einen Moment hochzuheben, und dass er außerdem noch ein Teil von dem nicht geheuren, niederziehenden Gewicht des verfluchten Rings mittragen müsste. Aber so schlimm war es nicht. Ob es nun daran lag, dass Frodo nach all seinen Leiden, nach der Messerwunde und dem Spinnenstich, vor Angst und Kummer und vom langen Umherirren in der Fremde so abgemagert war, oder ob Sam unverhofft eine neue Kraft zu einer letzten Anstrengung zufloss; jedenfalls kostete es ihn nicht mehr Mühe, als hätte er auf den Wiesen des Auenlands ein Hobbitkind huckepack genommen. Er holte tief Luft und ging los.
Sie hatten den Fuß des Berges an der Nordseite, ein wenig westlich, erreicht, wo seine langen grauen Hänge zwar zerklüftet, aber nicht steil waren. Frodo sagte nichts, und so stapfte Sam voran, so gut er konnte, ohne anderen Wegweiser als den Wunsch, möglichst hoch aufzusteigen, ehe seine Kraft und sein Wille erlahmten. Immer weiter schleppte er sich und Frodo, höher und höher, im Zickzack, um die Steigung zu vermindern, oft nur noch vorwärtsstolpernd, und zuletzt im Tempo einer Schnecke mit einem schwerenHaus auf dem Rücken. Als die Glieder seinem Willen nicht mehr gehorchten, hielt er an und setzte Frodo sachte ab.
Frodo schlug die Augen auf und holte Luft. Hier oben, über den wallenden und wabernden Dünsten am Fuß des Berges, atmete es sich leichter. »Danke, Sam!«, sagte er, heiser flüsternd. »Wie weit ist es noch?«
»Ich weiß nicht«, sagte Sam, »denn ich weiß ja nicht, wo wir hinwollen.«
Er schaute zurück und dann den Hang hinauf; er war erstaunt, wie weit seine Plackerei sie gebracht hatte. Weil der Berg so schicksalsträchtig allein in der Ebene stand, hatte er höher ausgesehen, als er war. Sam erkannte nun, dass er niedriger war als der Pass über den Ephel Dúath, den er mit Frodo erstiegen hatte. Die verrenkten und zerstückelten Schultern seines breiten Sockels erhoben sich etwa dreitausend Fuß über die Ebene, und darauf türmte sich, noch einmal um die Hälfte höher, der steile Mittelkegel auf, wie eine riesige Darre oder ein Schornstein, gekrönt mit einem gezackten Krater. Aber mehr als die Hälfte des Sockels hatte Sam schon bewältigt, und nur noch undeutlich sah er unten die Ebene von Gorgoroth liegen, in Dunst und Schatten gehüllt. Als er nach oben schaute, hätte er vor Freude schreien mögen, wenn seine trockene Kehle es erlaubt hätte, denn zwischen dem Gewirr von Buckeln und Felsschultern führte dort unverkennbar ein Weg oder eine Straße hindurch. Von Westen her wand er sich um den Bergsockel hinauf zum Fuß des Kegels auf der Ostseite, wo er aus dem Sichtfeld entschwand.
Wo der Weg unmittelbar über ihm verlief, an der niedrigsten Stelle, konnte Sam nicht erkennen, denn dazwischen war ein Steilhang; aber er vermutete, dass sie dort auf diesen Weg stoßen würden, wenn sie sich nur noch dies kurze Stück hinaufquälen könnten. Er sah wieder ein Fünkchen Hoffnung. Vielleicht würden sie den Berg doch bezwingen. »Der Weg wird ja wohl zu einem Zweck hier angelegt worden sein«, sagte er sich. »Wenn er nicht da wäre, hätt ich mich am Ende wohl geschlagen geben müssen.«
Der Weg war nicht für Sams Zwecke angelegt worden. Er wusstees nicht, aber er blickte auf Saurons Straße von Barad-dûr zu den Sammath Naur, den Feuerkammern. Aus dem gewaltigen Westtor des Dunklen Turms schwang sie sich auf einer eisernen Brücke über einen tiefen Abgrund hinweg in die Ebene, führte dort über eine Wegstunde zwischen zwei rauchenden Bodenspalten hindurch und mündete schließlich in einen langen, zur Ostseite des Berges hin ansteigenden Dammweg. Von dort beschrieb sie einen weiten Bogen von Süden nach Norden um den ganzen Bergsockel und stieg dann auf bis zu einem dunklen Eingang hoch oben am Kegel, aber noch weit unterhalb des qualmenden Gipfels, an der Ostseite, genau gegenüber dem Fenster des Auges in Saurons schattenummantelter Festung. Durch die brodelnden Ausflüsse aus den Schloten des Berges wurde die Straße oftmals versperrt oder beschädigt, doch zahllose Orks standen bereit, um sie immer wieder auszubessern und freizuräumen.
Sam atmete tief durch. Da war also
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