Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
sehen; und in der unbewegten Luft hörte man kein Geräusch. Dünne Strähnen von Flussnebel hingen über den Gräben und krochen über die Felder.
»Das gibt eine dicke Suppe«, sagte Maggot, »aber die Laternen zünd ich erst auf der Heimfahrt an. Auf der Straße werden wir heute alles viel eher hören, als wir es sehen.«
Es waren etwas mehr als fünf Meilen von Maggots Feldweg bis zur Fähre. Die Hobbits wickelten sich warm ein, horchten aber angespannt auf jedes Geräusch außer dem Knirschen der Räder und dem langsamen Klappklapp der Ponyhufe. Frodo kam der Wagen langsam wie eine Schnecke vor. Neben ihm war Pippin am Eindösen; aber Sam starrte voraus in den aufsteigenden Nebel.
Endlich erreichten sie den Zugang zur Fähre. Die Abzweigung war durch zwei hohe weiße Pfosten gekennzeichnet, die plötzlich an der rechten Straßenseite auftauchten. Maggot zügelte die Ponys, und der Wagen kam knarrend zum Stehen. Sie wollten schon hinausklettern, als sie auf einmal hörten, wovor ihnen die ganze Zeit gegraut hatte: Hufgeräusche auf der Straße vor ihnen. Die Geräusche kamen auf sie zu.
Maggot sprang ab, hielt die Ponys am Zaumzeug und spähte in die Dunkelheit. Klipp-klapp, klipp-klapp, kam der Reiter näher. Die Hufschläge hallten laut in der stillen, nebligen Luft.
»Halte du dich lieber versteckt, Herr Frodo!«, sagte Sam besorgt. »Runter in den Wagen und Decken drüber! Diesem Reiter werden wir heimleuchten!« Er stieg vom Wagen und stellte sich neben den Bauern. Um an den Wagen heranzukommen, würden die Schwarzen Reiter erst mal Sam Gamdschie niederreiten müssen!
Klapp-klapp, klapp-klapp. Der Reiter war fast bei ihnen.
»Hallo, wer da?«, rief der Bauer Maggot. Die Hufschläge hörten jäh auf. Wenige Meter entfernt glaubten sie im Nebel eine dunkle vermummte Gestalt zu erkennen.
»Na, was denn?«, rief der Bauer Maggot, warf Sam die Zügel hin und trat vor. »Kommen Sie keinen Schritt näher! Was wollen Sie und wohin?«
»Ich suche Herrn Beutlin. Haben Sie ihn gesehen?«, sagte eine gedämpfte Stimme – aber es war die Stimme von Merry Brandybock. Eine verdunkelte Laterne wurde abgedeckt und beleuchtete das erstaunte Gesicht des Bauern.
»Herr Merry!«, rief er.
»Gewiss, was dachtest du, wer ich bin?«, sagte Merry, nah heranreitend. Als er aus dem Nebel auftauchte und ihre Befürchtungen sich auflösten, schien er mit einem Mal aufs gewöhnliche Hobbitmaß zu schrumpfen. Er saß auf einem Pony und hatte sich gegen den Nebel einen Schal um den Hals und übers Kinn geschlungen.
Frodo sprang aus dem Wagen, um ihn zu begrüßen. »Da seid ihr ja endlich!«, sagte Merry. »Ich fragte mich allmählich, ob ihr heute überhaupt noch kommen würdet, und war schon auf dem Heimweg zum Abendessen. Als es neblig wurde, habe ich übergesetzt und bin gegen Stock zu geritten, um zu sehen, ob ihr nicht in irgendeinen Graben geplumpst seid. Aber ich kann nicht begreifen, auf welchem Weg ihr gekommen seid. Wo hast du die drei denn aufgelesen, Herr Maggot, in deinem Ententeich?«
»Nein, ich hab sie bei unbefugtem Betreten meines Landes erwischt«, sagte der Bauer, »und beinah die Hunde auf sie losgelassen; aber sie werden dir die ganze Geschichte sicher erzählen. Wenn ihr mich aber entschuldigt, Herr Merry und Herr Frodo und die andern Herren, dann fahr ich jetzt heim. Meine Frau wird sich schon Sorgen machen, weil es so neblig ist.«
Er fuhr den Wagen rückwärts in den Fährweg hinein und wendete. »Na, dann gute Nacht, die Herren!«, sagte er. »War ein verrückter Tag, kann man wohl sagen! Aber Ende gut, alles gut; sollte man aber wohl erst sagen, wenn man wieder hinter der eigenen Tür ist. Ich jedenfalls werde froh sein, wenn ich wieder zu Hause bin.« Er zündete seine Laternen an und stieg auf den Bock. Plötzlich zog er unter der Sitzbank einen großen Korb vor. »Hätt ich beinah vergessen«, sagte er. »Frau Maggot hat das hier für Herrn Beutlin eingepackt, mit schönen Grüßen.« Er reichte ihn herunter und fuhr los, unter einem Chor von Danksagungen und Gutenachtwünschen.
Sie schauten ihm nach, bis die matten Lichthöfe um seine Laternen in der Nebelnacht verschwanden. Da musste Frodo auf einmal lachen: Aus dem abgedeckten Korb, den er in der Hand hielt, duftete es nach Pilzen.
FÜNFTES KAPITEL
EINE AUFGEDECKTE VERSCHWÖRUNG
S o, nun sehn wir auch lieber, dass wir heimkommen«, sagte Merry. »Da ist ja wohl irgendwas komisch an der ganzen Geschichte, aber das kann jetzt warten, bis
Weitere Kostenlose Bücher