Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Tälern am Meer, die manauf einen kahlen Felsen verpflanzte. Ihr graute vor dem Schatten im Osten, und stets hielt sie die Augen südwärts gewandt, zum Meer hin, nach dem sie sich sehnte.
Nach ihrem Tod wurde Denethor noch finsterer und schweigsamer als zuvor, und oft saß er lange allein in seinem Turm, tief in Gedanken, denn er sah voraus, dass der Angriff aus Mordor zu seinen Lebzeiten kommen werde. Später glaubte man, dass er in Ermangelung mancher Kenntnisse, doch aus Stolz und im Vertrauen auf die eigene Willensstärke, es gewagt hatte, in den Palantír des Weißen Turms zu blicken. Keiner der Statthalter hatte dies je gewagt, nicht einmal die Könige Earnil und Earnur, nachdem Minas Ithil verloren und Isildurs Palantír dem Feind in die Hände gefallen war; denn der Stein von Minas Tirith war Anárions Palantír und aufs engste abgestimmt mit dem, den nun Sauron besaß.
Auf diese Weise erlangte Denethor viele von den Menschen bestaunte Kenntnisse von Ereignissen in seinem Reich und auch weit außerhalb seiner Grenzen; aber sie waren teuer erkauft, denn im Ringen mit Saurons Willen alterte er vor der Zeit. So wuchs sein Stolz zugleich mit seiner Verzweiflung, bis er in allem Geschehen dieser Zeit nur noch den Zweikampf zwischen dem Herrn des Weißen Turms und dem Herrn von Barad-dûr sah und allen anderen misstraute, die Sauron widerstanden, wenn sie nicht ausschließlich ihm selbst dienten.
So rückte die Zeit des Ringkriegs näher, und Denethors Söhne wurden erwachsen. Boromir, fünf Jahre älter als sein Bruder und der Liebling seines Vaters, war ihm äußerlich und in seinem Stolz ähnlich, doch in wenig anderem. Eher war er vom Schlage des alten Königs Earnur, einer, der keine Frau nahm und an Waffenübungen die größte Freude hatte, furchtlos und stark, aber mit wenig Interesse für die Überlieferung, soweit sie nicht die Waffentaten der alten Helden betraf. Faramir, der Jüngere, sah ihm ähnlich, war aber anderen Gemüts. Ebenso scharfsinnig wie sein Vater, wusste er in den Herzen der Menschen zu lesen, doch was er dort las, erregte eher sein Mitgefühl als seine Verachtung. Er war von freundlichem Wesen,ein Liebhaber der Überlieferung und der Musik; und daher trauten viele ihm damals weniger Mut zu als seinem Bruder. Doch daran war nur so viel richtig, dass er sich nicht leichtfertig und nur dem Ruhm zuliebe in Gefahr begab. Gandalf war ihm willkommen, wann immer er in die Stadt kam, und er lernte von ihm, so viel er irgend konnte; und damit, wie mit vielem anderen, erregte er das Missfallen seines Vaters.
Zwischen den Brüdern aber herrschte ungetrübte Freundschaft, schon seit ihrer Kindheit, als Boromir den Jüngeren in allem leitete und beschützte. Seither war keine Eifersucht oder Rivalität um die Gunst des Vaters oder das Lob anderer Menschen zwischen sie getreten. Faramir hielt es gar nicht für möglich, dass irgendwer in Gondor Boromir gleichkommen könnte, Denethors Erben, dem Feldhauptmann des Weißen Turms; und so dachte auch Boromir selbst. Doch die Prüfung ging anders aus. Von allem aber, was aus diesen dreien im Ringkrieg wurde, wird anderswo ausführlich berichtet. Und nach dem Krieg gingen die Tage der Regierenden Statthalter zu Ende, denn Isildurs und Anárions Erbe kehrte zurück, das Königtum wurde erneuert, und auf Ecthelions Turm wehte das Banner des Weißen Baums.«
5. Hier folgt ein Teil der Geschichte von Aragorn und Arwen
»Arador war der Großvater des Königs. Sein Sohn Arathorn hielt um die schöne Gilraen an, die Tochter Dírhaels, der seinerseits ein Nachkomme Aranarths war. Dírhael widersetzte sich seinem Wunsch, denn Gilraen hatte noch nicht das Alter erreicht, in dem die Töchter der Dúnedain für gewöhnlich heirateten.
›Außerdem‹, sagte er, ›ist Arathorn ein gestandener Mann in reifem Alter und wird früher als erwartet Stammesoberhaupt werden, doch mir sagt mein Herz, dass er nicht lange leben wird.‹
Aber Ivorwen, seine Gattin, die ebenfalls in die Zukunft sah, erwiderte: ›Umso mehr ist Eile geboten! Die Tage werden dunkel vordem Gewitter, und große Dinge stehen bevor. Wenn diese beiden sich nun vermählen, kann Hoffnung für unser Volk daraus erwachsen; wenn sie es aber hinauszögern, wird es in diesem Zeitalter keine Hoffnung mehr geben.‹
Und als Arathorn und Gilraen erst seit einem Jahr Mann und Frau waren, wurde Arador in den Kalten Hügeln nördlich von Bruchtal von Bergtrollen ergriffen und getötet; und Arathorn wurde
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