Der Herr der Ringe
denn das?«, fragte Frodo, als er Gelegenheit hatte, mit Herrn Butterblume zu flüstern. »Den habt Ihr, glaube ich, nicht vorgestellt.«
»Der?«, meinte der Wirt leise und schielte zu ihm hinüber, ohne den Kopf zu drehen. »Das weiß ich selbst nicht genau. Er ist einer von dem wandernden Volk – Waldläufer nennen wir sie. Er redet selten, es sei denn, er erzählt, wenn ihm der Sinn danach steht, eine ungewöhnliche Geschichte. Mal verschwindet er für einen Monat oder ein Jahr, und dann taucht er plötzlich wieder auf. Im Frühjahr war er ziemlich oft hier; aber in letzter Zeit hat er sich nicht mehr sehen lassen. Seinen richtigen Namen habe ich nie gehört; aber hier in der Gegend ist er als Streicher bekannt. Er holt gut aus mit seinen langen Beinen; obwohl er niemandem sagt, aus welchem Grunde er sich so eilt. Aber es gibt keine Erklärung für Ost und West, wie wir in Bree sagen, womit die Waldläufer und die Leute im Auenland gemeint sind, bitte um Vergebung. Komisch, dass Ihr nach ihm fragt.« Aber in ebendiesem Augenblick wurde Herr Butterblume weggerufen, weil mehr Bier verlangt wurde, und seine letzte Bemerkung blieb ungeklärt.
Frodo bemerkte, dass Streicher ihn jetzt ansah, als ob er alles, was gesagt worden war, gehört oder erraten habe. Mit einem Mal lud er Frodo mit einer Handbewegung und einem Kopfnicken ein, sich zu ihm zu setzen. Als Frodo herüberkam, warf er seine Kapuze zurück und enthüllte einen ungekämmten Kopf mit dunklem, von Grau durchzogenem Haar, und in einem bleichen, strengen Gesicht ein Paar scharfe graue Augen.
»Ich werde Streicher genannt«, sagte er leise. »Ich freue mich, Euch kennenzulernen, Herr – Unterberg, wenn der alte Butterblume Euren Namen richtig verstanden hat.«
»Hat er«, sagte Frodo steif. Er fühlte sich keineswegs wohl unter dem Blick dieser scharfen Augen.
»Nun, Herr Unterberg«, sagte Streicher, »an Eurer Stelle würde ich zusehen, dass Eure jungen Freunde nicht zu viel reden. Trinken, Feuer und eine lustige Gesellschaft sind angenehm genug, aber schließlich sind wir hier nicht im Auenland. Es sind sonderbare Leute unterwegs. Obwohl vielleicht nicht gerade ich das sagen sollte, werdet Ihr wohl denken«, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu, als er Frodos Blick bemerkte. »Und in letzter Zeit sind sogar noch merkwürdigere Reisende durch Bree gekommen«, fuhr er fort und beobachtete dabei Frodos Gesicht.
Frodo erwiderte seinen Blick, sagte aber nichts; und Streicher machte keine weitere Andeutung. Seine Aufmerksamkeit schien sich plötzlich Pippin zuzuwenden. Frodo war bestürzt, als er merkte, dass der alberne junge Tuk, ermutigt durch seinen Erfolg mit dem dicken Bürgermeister von Michelbinge, jetzt einen spaßigen Bericht von Bilbos Abschiedsfeier zum Besten gab. Schon war er bei der Rede angelangt und näherte sich dem erstaunlichen Verschwinden.
Frodo war ärgerlich. Für die meisten der ortsansässigen Hobbits war das zweifellos eine ganz harmlose Geschichte: eben etwas Komisches von den komischen Leuten jenseits des Flusses; aber manche (zum Beispiel der alte Butterblume) wussten das eine oder andere und hatten wahrscheinlich schon längst Gerüchte über Bilbos Verschwinden gehört. Es würde ihnen wieder den Namen Beutlin in Erinnerung rufen, besonders, wenn in Bree nach diesem Namen gefragt worden war.
Frodo rutschte unruhig hin und her und fragte sich, was zu tun sei. Pippin genoss offensichtlich die Aufmerksamkeit und hatte ganz vergessen, in welcher Gefahr sie waren. Frodo befürchtete plötzlich, dass er in seiner augenblicklichen Stimmung sogar den Ring erwähnen könnte, und das mochte verhängnisvoll werden.
»Ihr solltet lieber rasch etwas tun«, flüsterte Streicher ihm ins Ohr.
Frodo stand auf, sprang auf einen Tisch und begann zu reden. Damit war die Aufmerksamkeit der Zuhörer von Pippin abgelenkt. Einige Hobbits schauten Frodo an, lachten und klatschten und glaubten, Herr Unterberg habe mehr Bier zu sich genommen, als ihm gut tat.
Frodo kam sich mit einem Mal sehr töricht vor und merkte, dass er (wie es seine Gewohnheit war, wenn er eine Rede hielt) mit den Dingen in seiner Tasche spielte. Er fühlte den Ring an seiner Kette, und unerklärlicherweise überkam ihn der Wunsch, ihn aufzustreifen und aus dieser albernen Situation zu verschwinden. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass der Anstoß von außen kam, von irgendjemandem oder irgendetwas im Raum. Er widerstand der Versuchung entschlossen und
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