Der Herr der Ringe
vor langer Zeit alle Wege ausgekundschaftet und meine Geheimnisse entdeckt hatte. Er und sein übles Volk richten jetzt Zerstörungen an. Unten an den Grenzen fällen sie Bäume – gute Bäume. Einige der Bäume hauen sie bloß um und lassen sie liegen, dass sie verrotten. Orkstreiche sind das; aber die meisten werden zerhackt und weggeschleppt, um die Feuer von Orthanc zu schüren. In diesen Tagen steigt immer Rauch auf von Isengart.
Verflucht soll er sein, Wurzel und Ast! Viele dieser Bäume waren meine Freunde, Geschöpfe, die ich von Nuss und Eichel an kannte; viele hatten eine eigene Stimme, die nun auf immer verstummt ist. Und jetzt ist dort ein Ödland voller Baumstümpfe und Dornengestrüpp, wo einst singende Haine waren. Ich bin träge gewesen. Ich ließ die Dinge laufen. Das muss aufhören!«
Baumbart erhob sich mit einem Ruck vom Bett, stand auf und schlug mit der Hand auf den Tisch. Die Lichtgefäße erzitterten und sandten zwei flammende Strahlen aus. Ein Flackern wie grünes Feuer war in Baumbarts Augen, und sein Bart stand steif ab wie ein großer Reisigbesen.
»Ich werde dem ein Ende bereiten!«, sagte er dröhnend. »Und ihr sollt mit mir kommen. Vielleicht vermögt ihr mir zu helfen. Und euren Freunden werdet ihr auf diese Weise auch helfen; denn wenn Saruman nicht Einhalt geboten wird, dann werden Rohan und Gondor einen Feind hinter sich und auch einen vor sich haben. Wir haben den gleichen Weg – nach Isengart!«
»Wir werden mit Euch kommen«, sagte Merry. »Wir werden tun, was wir können.«
»Ja!«, sagte Pippin. »Ich würde es gern sehen, dass die Weiße Hand besiegt wird. Ich würde gern dort sein, selbst wenn ich nicht viel nützen könnte: Nie werde ich Uglúk und die Durchquerung von Rohan vergessen.«
»Gut! Gut!«, sagte Baumbart. »Aber ich sprach hastig. Wir dürfen nicht hastig sein. Ich bin zu hitzig geworden. Ich muss mich abkühlen und nachdenken; denn es ist leichter, Halt! zu rufen als Einhalt zu gebieten.«
Er ging mit großen Schritten zu dem Gewölbebogen und stellte sich eine Zeitlang unter den Sprühregen der Quelle. Dann lachte er und schüttelte sich, und wo immer die glitzernden Wassertropfen von ihm ab- und auf den Boden fielen, da strahlten sie wie rote und grüne Funken. Er kam zurück, legte sich wieder auf das Bett und schwieg.
Nach einiger Zeit hörten die Hobbits ihn wieder murmeln. Er schien etwas an den Fingern abzuzählen. »Fangorn, Finglas, Fladrif, freilich, freilich«, seufzte er.
»Das Ärgerliche ist, dass nur noch so wenige von uns da sind«, sagte er, zu den Hobbits gewandt. »Nur drei sind übrig von den ersten Ents, die vor der Dunkelheit in den Wäldern wanderten: nur ich, Fangorn, und Finglas und Fladrif – so lauten ihre elbischen Namen; ihr könnt sie Lockenblatt und Borkenhaut nennen, wenn euch das besser gefällt. Und von uns dreien sind Lockenblatt und Borkenhaut für diese Angelegenheit nicht von großem Nutzen. Lockenblatt ist schläfrig geworden, fast baumisch, könnte man sagen: Er hat sich angewöhnt, den ganzen Sommer hindurch halb schlafend für sich allein dazustehen, bis zu den Knien im hohen Gras der Wiesen. Bedeckt mit blättrigem Haar ist er. Im Winter pflegte er aufzuwachen; aber in letzter Zeit war er zu träge, selbst dann weit zu gehen. Borkenhaut wohnte an den Berghängen westlich von Isengart. Also dort, wo das Unheil am schlimmsten war. Er wurde von den Orks verwundet, und viele von seinen Leuten und Baumherden wurden ermordet und vernichtet. Er ist hinaufgegangen in die hohen Regionen, zu den Birken, die er am liebsten hat, und er wird nicht herunterkommen wollen. Immerhin glaube ich wohl, dass ich eine ganz ordentliche Gruppe von jüngeren Ents zusammenbekommen könnte – wenn ich ihnen die Notwendigkeit begreiflich machen könnte; wenn ich sie aufrütteln könnte: Wir sind kein hastiges Volk. Wie schade, dass wir nur so wenige sind!«
»Warum gibt es so wenige, wenn ihr schon so lange in diesem Lande lebt?«, fragte Pippin. »Sind viele gestorben?«
»O nein!«, sagte Baumbart. »Keiner ist gestorben von innen heraus, wie man sagen könnte. Manche sind natürlich von den Übeln der langen Jahre befallen worden; und mehr noch sind baumisch geworden. Aber wir waren nie sehr zahlreich und haben uns nicht vermehrt. Es hat keine Entings gegeben – keine Kinder, würdet ihr sagen, seit einer langen Reihe von Jahren nicht. Wir haben nämlich die Entfrauen verloren.«
»Wie überaus traurig!«, sagte Pippin.
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