Der Herr der Ringe
Berges.
»Nun?«, fragte Gandalf schließlich. »Worüber denkst du nach? Hast du dich entschieden, was du tun willst?«
»Nein!«, antwortete Frodo. Er kam aus der Dunkelheit wieder zu sich und stellte zu seiner Überraschung fest, dass es nicht dunkel war und dass er durch das Fenster den sonnendurchfluteten Garten sehen konnte. »Oder vielleicht doch. Sofern ich richtig verstanden habe, was du gesagt hast, muss ich den Ring wohl behalten und sicher verwahren, zumindest vorläufig, was immer er mir auch antun mag.«
»Was immer er dir auch antun mag, es wird lange, lange dauern, bis er Unheil anrichtet, wenn du ihn mit diesem Vorsatz behältst.«
»Das hoffe ich«, antwortete Frodo. »Aber ich hoffe auch, dass du vielleicht bald einen besseren Hüter findest. Doch einstweilen scheine ich eine Gefahr zu sein, eine Gefahr für alle, die in meiner Nähe leben. Ich kann nicht den Ring behalten und hier bleiben. Ich müsste Beutelsend verlassen, das Auenland verlassen, alles verlassen und fortgehen.« Er seufzte. »Ich würde das Auenland gern retten, wenn ich könnte – obwohl es Zeiten gegeben hat, damir seine Bewohner unsagbar dumm und langweilig vorkamen und ich dachte, ein Erdbeben oder ein Drachenüberfall könnten gut für sie sein. Aber jetzt denke ich nicht so. Ich denke, dass ich, solange das Auenland unversehrt und wohlbehalten hinter mir liegt, das Herumwandern erträglicher finden werde: Ich werde dann wissen, dass es einen sicheren Zufluchtsort gibt, selbst wenn ich dort nicht wieder Zuflucht suchen kann.
Natürlich habe ich schon manchmal daran gedacht, wegzugehen, aber ich hatte es mir gewissermaßen als Ferien vorgestellt, eine Reihe von Abenteuern wie Bilbos oder noch bessere und mit einem friedlichen Ende. Doch das hier würde Verbannung bedeuten, Flucht vor einer Gefahr in immer neue Gefahren, die ich auf mich ziehe. Und ich muss vermutlich allein gehen, wenn ich das vollbringen und das Auenland retten soll. Aber ich komme mir sehr klein vor und ganz entwurzelt und bin – nun ja, verzweifelt. Der Feind ist so stark und furchtbar.«
Er sagte es Gandalf nicht, aber während er sprach, war in seinem Herzen ein heißes Verlangen entbrannt, Bilbo zu folgen – und ihn vielleicht wiederzufinden. Das Verlangen war so mächtig, dass es seine Angst übertraf: er hätte fast aufspringen und ohne Hut, wie Bilbo es vor langer Zeit an einem ähnlichen Morgen getan hatte, den Weg hinunterrennen können.
»Mein lieber Frodo!«, rief Gandalf aus. »Hobbits sind doch wirklich erstaunliche Geschöpfe, wie ich schon früher gesagt habe. In einem Monat kann man alles Wissenswerte über sie lernen, und doch können sie einen nach hundert Jahren, wenn man in Not ist, noch überraschen. Ich hatte kaum erwartet, eine solche Antwort zu erhalten, nicht einmal von dir. Es war kein Missgriff von Bilbo, dass er dich zu seinem Erben erwählte, obwohl er kaum ahnte, wie wichtig das werden würde. Ich fürchte, du hast recht. Der Ring wird nicht länger im Auenland verborgen bleiben können, und um deinetwillen ebenso wie um anderer willen wirst du fortgehen und den Namen Beutlin ablegen müssen. Diesen Namen zu führen wird außerhalb des Auenlands oder in der Wildnis gefährlich sein. Ich werde dir jetzt einen Decknamen geben. Wenn du gehst, gehe als Herr Unterberg.
Aber ich glaube nicht, dass du allein gehen musst. Nicht, wenn du jemanden weißt, dem du vertrauen kannst und der bereit wäre, an deiner Seite zu bleiben – und den in unbekannte Gefahren mitzunehmen du bereit wärst. Aber wenn du dich nach einem Gefährten umschaust, sei vorsichtig bei der Auswahl! Und sei vorsichtig mit dem, was du sagst, selbst deinen besten Freunden gegenüber! Der Feind hat viele Späher und viele Möglichkeiten, mitzuhören.«
Plötzlich brach er ab, als ob er horche. Frodo merkte mit einem Mal, dass es sehr still war, drinnen und draußen. Gandalf kroch an eine Seite des Fensters. Dann sprang er mit einem Satz zum Fensterbrett und streckte einen langen Arm hinaus und nach unten. Ein Angstschrei war zu vernehmen,und herauf kam der Krauskopf von Sam Gamdschie, den Gandalf an einem Ohr gepackt hatte.
»Na, bei meinem Barte!«, sagte Gandalf. »Das ist doch Sam Gamdschie? Was machst du denn da?«
»Gott behüte, Herr, Herr Gandalf«, sagte Sam. »Nichts! Bloß die Rasenkante unter dem Fenster habe ich gerade geschnitten, wenn Ihr mir folgen könnt.« Er nahm seine Schere auf und hielt sie zum Beweis hoch.
»Kann ich nicht«,
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