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Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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schauten alle, und auf dem Grat hoch über ihnen sahen sie gegen den Himmel ein Pferd. Neben ihm bückte sich eine schwarze Gestalt.
    Den Gedanken umzukehren gaben sie sofort auf. Frodo ging voran und verschwand rasch in dem dichten Gebüsch am Bach. »Hu!«, sagte er zu Pippin. »Wir haben beide recht gehabt! Der gerade Weg ist schon krumm geworden; aber wir sind eben noch rechtzeitig in Deckung gegangen. Du hast gute Ohren, Sam: Hörst du etwas kommen?«
    Sie standen still und hielten fast den Atem an, während sie lauschten; aber nichts drang zu ihnen, was nach Verfolgung klang. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er versuchen würde, sein Pferd den Steilhang hinunterzubringen«, sagte Sam. »Aber vermutlich weiß er, dass wir dort heruntergekommen sind. Wir sollten lieber weitergehen.«
    Das Weitergehen war gar nicht so einfach. Sie hatten Rucksäcke zu tragen, und die Büsche und Brombeeren ließen sie nur widerwillig durch. Die Bergkette hinter ihnen schnitt sie vom Wind ab, und die Luft war still und stickig. Als sie sich schließlich ihren Weg in offeneres Gelände gebahnt hatten, waren sie erhitzt und müde und sehr verkratzt, und außerdem wussten sie nicht mehr, in welcher Richtung sie eigentlich gingen. Die Ufer des Baches wurden niedriger, als er die Ebene erreichte, breiter und seichter wurde und sich zum Bruch und zum Fluss hinschlängelte.
    »Ach, das ist doch der Stockbach!«, sagte Pippin. »Wenn wir versuchen wollen, wieder unsere alte Richtung einzuschlagen, dann müssen wir sofort hinüber und uns nach rechts halten.«
    Sie wateten durch den Bach und eilten auf dem anderen Ufer über eine baumlose, binsenbestandene Ebene. Dahinter kamen sie wieder zu einem Baumgürtel: hohe Eichen zum größten Teil, und hier und dort eine Ulme oder Esche. Das Gelände war ziemlich eben, und es gab wenig Unterholz; aber die Bäume standen so dicht, dass sie nicht weit sehen konnten. Blätter wurden durch plötzliche Windböen hochgewirbelt, und einige Regentropfen fielen vom bewölkten Himmel. Dann legte sich der Wind, und der Regen begann zu strömen. Sie trotteten weiter, so schnell sie konnten, über Grasbüschel und durch dichte Haufen alter Blätter; und der Regen prasselte und tröpfelte auf sie herab. Sie sprachen nicht miteinander, sondern schauten nur immer wieder zurück und nach allen Seiten.
    Nach einer halben Stunde sagte Pippin: »Ich hoffe, wir haben uns nicht zu sehr nach Süden gehalten und laufen nicht längs durch diesen Wald. Es ist kein sehr breiter Gürtel – nicht mehr als eine Meile an der breitesten Stelle, würde ich sagen – und wir müssten jetzt eigentlich schon durch sein.«
    »Es hat keinen Zweck, wenn wir jetzt anfangen, im Zickzack zu gehen«, antwortete Frodo. »Das würde nichts besser machen. Lasst uns weitergehen wie bisher! Ich bin auch nicht sicher, ob ich jetzt schon wieder ins Freie kommen möchte.«
    Sie gingen weiter, vielleicht noch ein paar Meilen. Dann kam die Sonne wieder durch die Wolkenfetzen, und der Regen ließ nach. Mittag war schon vorbei, und sie fanden, es sei höchste Zeit für eine Mahlzeit. Unter einer Ulme hielten sie an: Ihre Blätter hatten sich zwar schon gelb gefärbt, waren aber noch dicht, und unter dem Baum war es ziemlich geschützt und der Boden trocken. Als sie zu essen begannen, entdeckten sie, dass die Elben ihre Flaschen mit einem klaren Getränk von blassgoldener Farbe gefüllt hatten: Es duftete wie Honig, der aus mancherlei Blüten stammte, und war wunderbar erfrischend. Sehr bald lachten sie und scherten sich keinen Deut mehr um Regen und Schwarze Reiter. Die letzten paar Meilen, glaubten sie, würden bald geschafft sein.
    Frodo lehnte sich mit dem Rücken an den Baumstamm und schloss die Augen. Sam und Pippin saßen dicht dabei, und sie begannen zu summen und dann leise zu singen:
    He! He! He! An die Buddel geh ,
    Heil dein Herz, ertränk dein Weh!
    Falle Regen oder Schnee,
    Meilen, Meilen, Meilen geh!
    Doch unterm Baume, da werd ich ruhn,
    Wolken zählen und nichts mehr tun.
    He!, he!, he! , begannen sie noch einmal und lauter. Dann hielten sie plötzlich inne. Frodo sprang auf. Ein langgezogenes Wehklagen trug der Wind zu ihnen herab, wie der Schrei eines bösen, einsamen Geschöpfes. Das Klagen stieg und fiel und endete mit einem hohen, durchdringenden Ton. Während sie noch da saßen und standen, als seien sie plötzlich erstarrt, kam als Antwort ein zweiter Schrei, schwächer und weiter entfernt, aber nicht weniger beklemmend.

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