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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bis durch das Fenster drangen. Nico gab das sinnlose Umherblicken auf. Seine Augen kehrten zu der Auseinandersetzung am Portal zurück.
    Der Verwalter der Festung wischte gerade mit einer u n willigen Handbewegung ein Papier aus der Hand des SS-Offiziers. Der Zivilist blieb auf eine kalte Weise ungerührt. Ohne erkennbare Regung sprach er ein paar Sätze zu Don a tello, packte seinen uniformierten Begleiter am Arm und zog ihn durch das Portal hinaus auf die Brücke, die den Wassergraben überspannte. Der Diener warf die Tür ins Schloss, verriegelte sie und lief eilig zum Haus zurück.
    Nico eilte ihm entgegen. Sie trafen sich in der Vorhalle im Erdgeschoss.
    »Was wollten die Kerle?«
    »Guten Morgen!«, erwiderte Donatello gereizt. Auge n scheinlich rang er noch um seine Fassung.
    »Entschuldige. Sie sind wegen mir gekommen, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Und was wirst du tun? Lieferst du mich ihnen aus?«
    »Du beliebst zu scherzen, junger Mann. Eher lasse ich Pech und Schwefel auf sie niederregnen.«
    »Die Zeiten sind längst vorbei, Donatello.«
    »Anfang des sechzehnten Jahrhunderts war das hier die modernste Festung der Welt.«
    »Ich möchte nicht, dass dir irgendetwas zustößt.«
    »Das lass getrost meine Sorge sein.« Er schüttelte den Kopf und murmelte: »So weit ist es schon gekommen.«
    »Was meinst du?«
    »Da war ein Offizier der Waffen-SS.«
    »Ich habe ihn vom Fenster aus gesehen.«
    »Er hat sich als Pietro Mannelli vorgestellt. Ein Italiener ! Das will nicht in meinen Kopf. Wie kann ein Italiener zur Waffen-SS gehören?«
    »Ich habe auch schon davon gehört. Vermutlich ist er treuer Bürger der Republik von Salò.«
    »Natürlich ist er Faschist. Mussolini hat noch viele A n hänger.«
    »Was haben die beiden von dir verlangt? Außer meinen Kopf, meine ich.«
    »Die Wehrmacht versucht schon seit September die Leute aus Nettunia zu vertreiben, aber viele haben sich bisher geweigert. ›Hier sind wir geboren, hier sterben wir‹, sagen sie. Aber jetzt machen die Deutschen ernst. Sie drohen, alle zu erschießen, wenn die Stadt nicht umgehend geräumt wird. Die ganze Bevölkerung muss sich mindestens fünf Kilometer von der Küste zurückziehen. Der Judas von der SS hat irgendetwas von ›strategischen Zwängen‹ gefaselt, wahrscheinlich weil Badoglio Deutschland gerade den Krieg erklärt hat.«
    » Was? Davon habe ich ja noch gar nichts gehört.«
    »Mich überrascht das nicht, wenn einer mit seinem M o torrad in den Pontinischen Sümpfen herumkurvt und nachts in Höhlen schläft.«
    »Und sich dabei die Grippe holt«, fügte Nico lahm hinzu und fasste sich an die Stirn. Hatte er Fieber?
    Donatello reagierte nicht darauf. Stattdessen erklärte er: »Dein Name ist übrigens nicht gefallen. Wenn ich mich nicht irre – und ich irre mich selten –, dann fürchten sie wohl weniger, dass du hier herausspazieren könntest, als eher das Gegenteil.«
    »Wie bitte?«
    »Sie glauben, du könntest zu mir gelangen.«
    »Aber ich denke, Manzini hat keine Ahnung, dass du ein Mitwisser bist, weil du damals seinen Streit mit dem Duce belauscht hast.«
    »Ich weiß wohl mehr über seine wechselhafte Verga n genheit – insbesondere seine enge Beziehung zum Duce – als jeder andere in Nettuno. Wenn er deinen Vater wegen einer Prägung im Deckel einer Uhr umgebracht hat, dann könnte er Gründe genug finden, auch mich zum Schweigen zu bringen.«
    »Und daran bin ich alleine schuld. Manzini hat sich jahr e lang nicht um dich geschert, aber mit meiner Schnüffelei muss ich ihn alarmiert haben. Jetzt versucht er alle Zeugen und Beweise seiner dunklen Vergangenheit aufzuspüren und zu liquidieren.«
    »Bilde dir nur nicht zu viel auf dich ein, Nico dei Rossi. Ich glaube eher, dass Don Massimiliano mir nichts getan hat, weil er sich bis vor einem Jahr nicht mit dem Baron anlegen wollte. In den letzten zwölf Monaten hatte er dann genug andere Dinge um die Ohren. Jetzt, wo ihn die Deu t schen wieder aufs Pferd gehoben haben, verfällt er in alte Gewohnheiten: Er räumt auf.«
    »Unterm Strich kommt dasselbe heraus. Du musst unte r tauchen.«
    Der Kammerdiener lächelte. »Das amüsiert mich. Der mächtigste Mann der Stadt lässt dich steckbrieflich suchen, und du rätst mir, von der Bildfläche zu verschwinden?«
    »Das ist nicht lustig, Donatello.«
    »Nein, führwahr, das ist es nicht. Wir werden gemeinsam fliehen. Wie geht es dir? Du siehst fürchterlich aus.«
    »Danke. Ich fühle mich, als hätte man mich auf eine

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