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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Richtung davon. Mühsam hievte Nico das Gepäckstück hoch und hechelte hinterher.
    Diesmal hatten sie Erfolg. Nachdem sie sich und den Ko f fer durch einen schmalen Spalt gezwängt hatten, der nur eine Nische zu sein schien, stießen sie einmal mehr auf eine Treppe.
    »Wo führt die hin?«, fragte Nico.
    Donatellos Antwort klang geheimnisvoll. »Geradewegs in den Himmel.«
    Der Ausgang lag, wie sich rasch zeigte, in durchaus ird i schen Regionen, im Boden einer Krypta. Um ihnen Zutritt zu dem Grabgewölbe zu verschaffen, musste Nico eine schwere Marmortafel hochstemmen, was ihn fast die letzte Kraft kostete. Ächzend zerrte er den Koffer in den dämmr i gen, aus Steinplatten und Säulen bestehenden Raum und sank sichtlich erschöpft zu Boden.
    »Wo sind wir hier?«
    »Du weißt es wirklich nicht?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Du warst nie hier drin?«
    »Nein.«
    »Nicht mal bei der Festa della Nostra Signora delle Gr a zie ?«
    »Das ist ein christliches Fest. Ich feiere Sukkot und den Schabbat … Normalerweise.«
    »Oh! Ich war gedanklich bei Don Niklas, dem Christen, und nicht bei Nico dei Rossi, dem Juden.«
    »Beide sind Menschen.«
    »Amen. Um deine Frage zu beantworten: Wir befinden uns hier unter dem Hauptaltar von San Giovanni. Außer dem Erzpriester, Monsignor Nicola De Franceschi, kennt kaum jemand diesen geheimen Ausgang – als seinen Ve r trauten hatte mich der Baron ebenfalls eingeweiht.«
    Nico hörte kaum noch zu. Der Name der Kirche war wie eine berauschende Droge, die ihn kurzzeitig taumeln ließ. Schräg über ihm befand sich der Palazzo Manzini. Laura war vielleicht nur wenige Meter von ihm entfernt – und doch unerreichbar.
    »Ist dir nicht gut, Junge? Soll ich ein Stück den Koffer tragen?«, fragte der Diener zerstreut.
    »Ehrlich gesagt, wäre mir das lieber.«
    »Natürlich. Mir macht die Schlepperei nichts aus. Ich dachte, dir wäre nur ein wenig unwohl, aber anscheinend hat es dich schlimmer erwischt. Am besten, du legst dich sofort ins Bett. Emma wird dir …«
    »Vielleicht komme ich später auf das Angebot zurück, Donatello. Du hast mich vor Manzinis Helfershelfern b e schützt, und dafür danke ich dir, aber jetzt muss ich jema n den retten.«

16. KAPITEL
    Der Todgeweihte
     
    Rom, 1943
     
    Immer wieder verschwamm der schlammige Weg vor N i cos Augen. Lag es am Schüttelfrost, der ihn in zunehmend heftigen Schüben heimsuchte, oder am unebenen Unte r grund, dass er kaum die Spur halten konnte? Er stand kurz davor, sein Glück herauszufordern und einfach nach No r den auf die Via Appia auszuweichen. Die bedrohlichen Bilder von der Umstellung des Forte Sangallo hielten ihn jedoch zurück. Er blieb auf der Marterstrecke, die nicht nur ihm, sondern auch Albino das Letzte abverlangte.
    Wie ein treues Ross trug ihn das Motorrad in Richtung Rom. Gegen elf Uhr klarte der Himmel auf. Die Sonne im Rücken tat Nico gut. Mittags erreichte er nach mehreren Verschnaufpausen endlich sein Ziel. Zuvor war er zum Haus der Familie Pierantoni gefahren, wo Johan und Lea Mezei auf Vermittlung des Oberrabbiners vorübergehend Unterschlupf gefunden hatten. Dort überreichte man ihm eine für ihn hinterlegte Nachricht, die ihn einmal mehr nach Trastevere beorderte. Als er dem linken Tiber-Ufer nach Süden folgte, bemerkte er auf der anderen Seite des Flusses zahlreiche Armeefahrzeuge.
    Endlich erreichte er das beschriebene Versteck in der Via della Lungaretta. Es war ein mehrstöckiges Gebäude mit weißer und ockerfarbener Fassade. Vom Eingangsportal blickten pausbäckige Engel auf ihn herab. Über einen I n nenhof gelangte er zu dem Hinterhaus, wo er sich nach e i ner Signora Lurgi erkundigen sollte. Ihre Wohnung befand sich im Erdgeschoss. Er klingelte, und eine hagere Frau Anfang sechzig öffnete. Sofort sah er ihrem Gesicht an, dass etwas nicht stimmte.
    »Signora Lurgi?«
    »Ja?«
    »Mein Name ist …« Welchen sollte er nennen? »Ich s u che Johan und Lea Mezei.«
    »Da sind Sie offenbar nicht der Einzige.« In ihrer Hand erschien ein Taschentuch, mit dem sie sich die Augen a b tupfte.
    »Wohnen die beiden bei Ihnen?«
    »Ich weiß von nichts.«
    »Hören Sie, ich bin ein Freund. Wo sind die beiden?«
    »Nicht mehr hier.« Signora Lurgi stillte erneut den Tr ä nenfluss.
    Nico entsann sich auf die Mitteilung des Meisters. Er hielt der Frau das handbeschriebene Blatt vor die Nase.
    »Das hier hat mir Johan Mezei bei Freunden hinterlassen. Ich sollte mich hier mit ihm treffen.«
    Nun brach

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