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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Streckbank gespannt und würde mir abwechselnd Eiswa s ser und siedendes Öl überschütten.«
    »Das klingt aber gar nicht gut. Ich werde einen Blick in meine Hausapotheke werfen. Vielleicht finde ich da etwas für dich.«
    Nico nickte geistesabwesend. »Wie stellst du dir das vor, von hier zu fliehen? Soweit ich es vom Fenster aus beurte i len konnte, ist die ganze Festung von Militär umstellt.«
    »Hast du schon einmal von der Piazza dei Pozzi di Grano gehört?«
    »Dem ›Platz der Getreidebrunnen‹? Nicht dass ich wüs s te. Wo ist der denn?«
    »Nicht ›ist‹, junger Freund. Die Piazza war einmal. Im Mittelalter. Unter ihr lagen ausgedehnte Höhlen, in denen Korn gelagert wurde. Was hältst du von einer kleinen B e sichtigungstour?«
     
    Auf Anraten des Kammerdieners widmete sich der Herr der Unruhe eingehend seinem Äußeren, während Donatello einige Habseligkeiten zusammenpackte. Zuvor hatte er N i co Wasserstoffperoxid sowie eine Rasierklinge ausgehä n digt und ihm versichert, dass man damit wahre Wunder vollbringen könne.
    Etwa eine Stunde später besaß Nico semmelblondes Haar, einen Schnurrbart und mehrere Schnitte im Gesicht.
    »Ich sehe aus wie ein Seeräuber nach einem Entergang.«
    »Dazu müsstest du eines deiner Brillengläser schwarz färben.«
    »Ich lass die Brille lieber ganz weg. Hat mir sowieso kein Glück gebracht.«
    »Kannst du denn ohne Brille genug sehen?«
    »Die Gläser sind nur aus Fensterglas.«
    »Oh! Bist du so weit?«
    »Es geht. Besser wird es nicht werden. Ich will ja nicht drängen …«
    Donatello lächelte. »Hab schon verstanden. Bist du so freundlich und tust mir einen kleinen Gefallen?«
    »Ja?«
    »Nimm meinen Koffer.«
    Nico war nicht unbedingt das, was man landläufig unter einem Athleten verstand. Schon auf dem Weg in den Wei n keller begann er zu schwitzen. Seine Kräfte waren mehr geistiger Natur, zumal die eingenommenen Medikamente keine Wunder zu vollbringen vermochten. Er hatte jedoch nicht jammern wollen. Jetzt bekam er die Quittung dafür.
    Donatello trug nur einen Gehstock, der wohl eher dekor a tiven Charakter hatte, und eine Handlampe in Form einer kleinen Blechkiste mit einem Strahler darin. Mit dieser eher armseligen Beleuchtung drangen sie bis in den hintersten Teil des dunklen Gewölbes vor. Die Flucht geriet vor einem Haufen Unrat ins Stocken. Nico sah verstaubte Holzkisten mit leeren Weinflaschen und eine nicht sehr sorgfältig z u sammengeworfene Pelerine aus Ölzeug.
    »Ich würde es zu schätzen wissen, wenn du das da zur Seite räumst«, sagte Donatello.
    Nico seufzte. Vorsichtig ließ er den Koffer zu Boden si n ken und schleppte das staubige Gerümpel aus dem Weg. Darunter kam eine eiserne Klappe mit einem riesigen Vo r hängeschloss zum Vorschein.
    »Das ist dann wohl unser Notausgang«, murmelte er.
    »Santa Maria!«, zischte Donatello.
    »Was ist?«
    »Ich habe keinen Schlüssel.«
    »Dann hole ich ihn. Wo ist er denn?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Aber …«
    »Don Alberto hat ihn immer verwahrt. Du hast nicht z u fällig eine größere Kneifzange zur Hand?«
    »Nein. Aber warte mal.«
    Nico kniete sich vor der Klappe nieder, nahm das Vo r hängeschloss in beide Hände und brummte schon nach ku r zer Konversation: »Stammt noch aus der Zeit der Kreuzz ü ge, wie mir scheint.«
    »Da gab es das Forte Sangallo überhaupt noch nicht. Der letzte Kreuzzug …« Er verstummte, weil sein Begleiter unvermittelt zu summen begonnen hatte, schnappte nach Luft und protestierte: »Das ist nun wirklich der unpassend s te Augenblick, mein junger Freund, um sich der Heiterkeit hinzugeben. Da oben stehen ungefähr …«
    Klick!
    Das metallische Geräusch des sich öffnenden Schlosses hatte den Alten ein zweites Mal der Worte beraubt.
    Nico lächelte in den Lichtkegel der Handlampe. »Sie hat sich nicht besonders gesträubt?«
    »Sie?«, japste Donatello.
    »Ist nur so eine Angewohnheit von mir, die leblosen Di n ge nach ihrem Wesen einzuordnen. Es gibt natürlich auch Männer, die empfindsam sind.«
    »Empfindsam?«
    Nico riss die Luke hoch, ließ sie auf der anderen Seite zu Boden scheppern und packte wieder den Koffer. Auf das Loch vor seinen Füßen deutend, sagte er: »Ich nehme an, dort geht es weiter.«
    Donatello ging voran. »›Sie‹ ist empfindsam!«, murmelte er noch mehrere Male und schüttelte dabei fassungslos den Kopf.
    Ihr Weg führte zunächst durch einen künstlichen Tunnel, in dem knöcheltiefes Wasser stand. Die gemauerten

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