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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gestoßen. Die Tür schepperte hinter ihnen ins Schloss. Eine Kette rasselte.
    Laura drückte sich eng an Nico heran und flüsterte: »Was haben die mit uns vor?«
    »Kannst du dir das nicht denken?«
    Der Körper der jungen Frau zitterte. Ihre Stimme war nur ein Hauch. »Sie wollen uns doch nicht wirklich auf die Re i se ohne Wiederkehr schicken? Mein Vater würde …«
    »Dein Vater besitzt keine Macht mehr. Er kann uns nicht mehr helfen.« Nico stieß ein irres Lachen aus. »Ich selbst habe ihm die Möglichkeit genommen, dich zu retten. Wenn das nicht die berühmte Ironie des Schicksals ist! Bruno ha t te schon Recht, als er uns beiden keine Zukunft gab.«
    »Ich wünschte, ich hätte mich geirrt«, sagte unvermittelt eine Stimme aus der Dunkelheit.
    Nico erstarrte. Das konnte unmöglich wahr sein! »Br u no?« Er hörte, wie sich aus dem Hintergrund der Halle Schritte näherten. Dann klang die Stimme ganz nah.
    »Ich bin hier, amico mio .«
    »Du …« Nico senkte den Kopf und rannte wie ein wüte n der Stier in die Richtung des Sprechers. Er spürte einen dumpfen Schlag, als sein Schädel Brunos Brust traf. Beide gingen zu Boden.
    Nun lässt es sich nicht trefflich ringen, wenn man gefe s selt ist. Nico stieß mit den Knien, mit dem Kopf, biss sogar einige Male – meistens ins Leere – und versuchte seinen Kontrahenten durch wütendes Zappeln in den Ziegelboden einzuarbeiten. Bruno leistete erstaunlich wenig Gegenwehr. Schon nach kurzer Zeit erlahmte die Kampfkraft des A n greifers. Nico begann zu weinen. Seine Stirn sank auf Br u nos Brust.
    »Warum hast du mich verraten?«
    Er hörte den keuchenden Atem des Mannes unter ihm, sogar seinen Herzschlag, dann die Antwort. »Es tut mir Leid, amico mio .«
    Nico rollte sich von dem Partisan herunter, kämpfte sich auf die Knie und schrie: »Nenne mich nie mehr deinen Freund, du Judas. So nennt ihr Christen einen wie dich doch, oder etwa nicht? Wie viele Silberlinge hat Manzini dir für mich bezahlt?«
    Brunos Antwort klang kühl. »Es ging nicht um Geld, N i co. In unserer Gruppe waren sich alle einig: Mit deinen Alleingängen bist du eine zu große Gefahr für uns gewo r den.«
    »Ach! Und Laura? Haben deine Kameraden sie auch zum Tode verurteilt, oder ist das deine ganz persönliche kleine Rache, weil sie dich hat abblitzen lassen?«
    »Was redest du da? Ich liebe Laura. Viel länger als du. Ich würde sie nie in Gefahr bringen.«
    »Das hast du aber getan, indem du sie zu mir schicktest und die Wehrmacht gleich hintendrein.«
    »Aber …« Mit einem Mal klang Brunos Stimme panisch. »Ich dachte … das Kommando hätte dich längst abgeholt. Laura sollte vor verschlossenen Toren stehen. Sie sollte sehen, dass auf dich kein Verlass ist. Dann hätte sie sich vielleicht endlich für den Richtigen entschieden.«
    »Du meinst für dich, Bruno Sacchi?« Die laute, von Ve r achtung triefende Antwort kam nicht von Nico.
    »Laura?«
    »Ja. Sag bloß, du hast mich vorher nicht erkannt.«
    »Nein!«, stieß Bruno hervor. »Da war nur ein Flüstern … Das … O Gott! Was habe ich getan?«
    Nico ließ das Kinn auf die Brust sinken und schüttelte den Kopf. Der Hass, den er gerade noch gespürt hatte, war einer tiefen Traurigkeit gewichen. »Du hast die Menschen, die dir einmal etwas bedeutet haben, ans Messer geliefert, Br u no.«
    Erst jetzt bemerkte Nico das Scharren weiterer Füße aus dem Hintergrund. Offenbar hatten die Deutschen noch mehr Gefangene gemacht.
    »Wer ist da?«, fragte Laura.
    Eine andere Frau antwortete: »Die übrigen Delinque n ten.«
    »Seid ihr auch Partisanen?«
    »Ja. Zumindest waren wir es, bis unser verliebter Anfü h rer die Wehrmacht in unser Lager geführt hat.«
    »Das war ohne Absicht«, beteuerte Bruno.
    Die Antwort aus der Dunkelheit kam postwendend. »Mag sein, Genosse Sacchi. Aber trotzdem wirst du die Schuld an unser aller Tod mit ins Grab nehmen.«
     
    Oberst Kaltenreutter wollte es sich nicht nehmen lassen, dem Massaker persönlich beizuwohnen. Gemeinsam mit Feldwebel Hurz führte er das Erschießungskommando an. Der Weg vom Hafen war kurz. Man wollte Laura, Nico, Bruno und die vierundzwanzig übrigen Partisanen am Strand bei Neros Villa erschießen, nur einen Steinwurf von den Grotte di Nerone entfernt. Dort hinein sollten die Le i chen geworfen werden.
    Er habe, gestand Kaltenreutter, im Hinblick auf den U m gang mit rebellischen Gegnern, von dem alten Kaiser Nero eine Menge gelernt. Mit dem Ort der Hinrichtung verbinde sich auf

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