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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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»polnischen Korridor« geg e ben. Erst vor zwei Tagen habe Hitler ultimativ die Entse n dung eines bevollmächtigten polnischen Unterhändlers zum Zwecke direkter Verhandlungen »binnen vierundzwanzig Stunden« gefordert. Nico interessierte sich nicht sonderlich für Politik, aber es fiel ihm schwer, sich den »polnischen Terror«, über den die deutsche Propaganda lamentierte, zu erklären. Polen war ein kleines Land, eingekeilt zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich. Sollte Wa r schau tatsächlich so dumm sein, sich mit solch mächtigen Gegnern anzulegen? Laura wusste über die neuesten En t wicklungen offensichtlich Bescheid, aber Nico schüttelte den Kopf.
    »Ich habe kein Radio. Deswegen schnappe ich nur ab und zu irgendwo eine aktuelle Nachricht auf.«
    Manzini wirkte weniger schockiert als mehr wie jemand, dem allmählich zu Bewusstsein kam, dass er sich einer u n bequemen Aufgabe stellen musste. Seine Kiefer mahlten, und er brachte kaum die Zähne auseinander, als er endlich sein neues Wissen preisgab. »In wenigen Stunden wird fo l gende Meldung wie ein Lauffeuer um den Globus rasen: Deutschland lässt sich die Provokation der Polen nicht lä n ger gefallen. Seit fünf Uhr fünfundvierzig wird jetzt von der Wehrmacht zurückgeschossen!«
    Es bedurfte keiner Ausbildung zum Historiker, um sich auszumalen, was diese Mitteilung bedeutete. England und Frankreich hatten sich gegenüber Polen für genau diesen Fall vertraglich zum Beistand verpflichtet. Sie würden sich von Hitler kein weiteres Mal – wie noch im Falle Öste r reichs, des Sudetenlandes und der Tschechoslowakei – um des lieben Friedens willen überrumpeln lassen. »Krieg!«, hauchte Nico und sah dabei aus, als hätte er einen Geist erblickt.
    »Die Welt wird neu geordnet«, murmelte Manzini, wä h rend er gewichtig nickte. Hierauf konnte man auf seinem Gesicht regelrecht ablesen, wie er die beunruhigenden Ne u igkeiten vom Tisch seiner Besorgnisse wischte, um ein für ihn offenbar vorrangiges Thema aufs Tapet zu bringen. Seine Bewegungen wirkten mit einem Mal fahrig und sein Blick unstet. Mit der Rechten fuchtelte er in der Luft herum und fügte ungeduldig hinzu: »Aber jetzt kommen Sie en d lich herein, Signor Michel.«
    Nico folgte Laura ins Büro. Mit Blicken maß er den tiefen Sturz über seinem Kopf. Ich wüsste zu gern, was er alles hinter diesen dicken Mauern versteckt. Uberto blieb zurück.
    Das mehr als geräumige Zimmer roch nach Zigarre n rauch. Es war vollständig mit dunkel gebeiztem Eichenholz ausgekleidet. Auf dem Boden lagen schwere Teppiche. An der Decke reihten sich quadratische Kassetten. Links stand ein großer Globus, daneben ein ausladender runder Tisch, an dem sich wohl ein Dutzend Leute beraten konnten, und in einer dunklen Ecke bei den Fenstern ein rotlederner Lehnstuhl mit einem Beistelltischchen. Die rechte Hälfte des Zimmers beherrschte, in sicherer Distanz zu einem sandfarbenen Marmorkamin, ein gewaltiger Schreibtisch. Zog man in Gedanken zwei Linien vom Zentrum der Feue r stelle zu den Außenkanten des Arbeitsmöbels, stieß man auf ein Paar viereckiger Säulen, die ebenfalls mit Holz ummantelt waren. Die Wände pflasterten zudem Schränke, Bücherregale und Bilder. An den Fenstern bildeten schwere grüne Samtvorhänge undurchdringliche Barrieren sowohl für die Sonne als auch für neugierige Blicke. Nur eine Schreibtischlampe und ein Licht, dessen Ursprung irgen d wo hinter dem breitem Rücken des Hausherrn lag, erhellten schwach den Raum.
    »Ich brauche aufs Dringendste Ihre Hilfe!«, zeterte Ma n zini.
    »Was ist denn geschehen?«
    Der Hausherr deutete anklagend auf seine Tochter. »Das dumme Gör hat sie kaputtgemacht.«
    »Ich habe überhaupt nichts …«, begehrte Laura auf, wu r de von ihm aber sofort in ihre Schranken gewiesen.
    »Schweig! Signor Michel wird mir zweifellos zustimmen, wenn er erst sieht, was du angerichtet hast.«
    Nico hatte den mächtigsten Mann der Stadt bisher nur einmal derart gereizt erlebt, und das war lange her. Laura brauchte Hilfe. In den letzten zweieinhalb Wochen hatten sich die beiden jungen Leute fast täglich gesehen und waren sich dabei näher gekommen. Fast beschwörend redete Nico auf ihren Vater ein. »Don Massimiliano, was immer Sie so aufgewühlt hat, ich bin sicher, Ihre Tochter trifft keine Schuld daran. Bitte beruhigen Sie sich erst einmal, und dann erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    Manzini steigerte sich immer tiefer in seinen desolaten Seelenzustand

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