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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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habe man hier Christus auf dem Weg zum Altar einen bunten Teppich unter die Füße legen wollen, bevor er seinen Leib in das heilige Sakrament des Abendmahls verwandelte, sondern in duftenden Bildern. Manche zeigten Szenen aus dem Leben von Heiligen, and e re lediglich hübsche Ornamente.
    »Es ist unglaublich!«, staunte Nico.
    »Nicht wahr? Ich habe noch ein paar andere Überr a schungen für dich geplant. Komm, ich zeige dir etwas, das mindestens ebenso unglaublich ist.« Sie nahm ihn wieder bei der Hand und zog ihn in die Menge, die sich den Berg hinaufdrängelte. Oben angekommen, führte Laura ihn durch kleine Gässchen, bis sie vor einer Mauer standen, die ihnen eine atemberaubende Aussicht eröffnete.
    Weit unter ihnen lag ein blauer, in einem grünen Kessel liegender Kratersee. Der Gegensatz zwischen dem Trubel auf der Straße der Blumen und diesem friedlich stillen A n blick hätte kaum größer sein können.
    »Der Spiegel der Diana«, sagte Laura leise.
    »Du meinst den See? Heißt er nicht anders?«
    »Lago di Nemi, das ist sein heutiger Name. Früher lag dort unten ein Tempel zu Ehren der Göttin der Jagd.« Sie deutete auf die Stelle am Nordufer des Sees. Danach wa n derte ihr Arm nach links. »Und da hatte Julius Cäsar eine Villa. Angeblich soll er nur eine einzige Nacht darin g e schlafen haben.«
    Nico schnaubte. »Ziemliche Verschwendung!«
    »Wie kannst du das sagen, wenn du noch nie eine Nacht am Spiegel der Diana verbracht hast?«
    Er sah sie forschend an. Tief in ihren dunklen Augen fu n kelte ein Feuer, das ihn in Brand zu stecken drohte. Sacht löste er seine Hand aus der ihren und fragte: »Warum hast du mich hierher geführt, Laura?«
    Sie lächelte, jetzt wieder ganz das unbekümmerte Mä d chen. »Weil ich dir einen guten Freund vorstellen möchte.«
    »Oh?«
    »Ja, ich habe dir vorher nichts davon gesagt. Es sollte eine Überraschung sein. Komm!« Sie hakte sich bei ihm ein und zog ihn, weil er nicht gleich reagierte, wie einen störrischen Esel von der Mauer weg.
    »Santa Maria della Cima ist die kleinste Kirche hier o ben.«
    »Hört sich verlockend an.«
    »Du!« Sie piekte ihn in die Rippen. »Ich führe dich nicht zu einem Schäferstündchen.«
    »Auf den Gedanken wäre ich nie gekommen.«
    »Du bist frech heute, weißt du das? – Der Priester der Gemeinde ist Padre Giacomo Lo Bello.«
    »Wird ja immer interessanter.«
    »Er hat mich getauft.«
    »Was du nicht sagst!« Diesmal war Nicos Überraschung echt. »Wieso ist er hier und nicht in Nettuno?«
    »Er war schon alt, als ich geboren wurde. Jedenfalls habe ich ihn schon immer so in Erinnerung. Du wirst schon me r ken, dass er kein gewöhnlicher Priester ist. Äußerlich mag er dir zwar unscheinbar vorkommen, aber sein Herz ist ri e sig – und sein Mundwerk ebenso. Damit hat er sich in der Diözese einigen Ärger eingehandelt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Er hat Dinge gesagt, die mit der offiziellen Lehrmeinung der Kirche nicht unbedingt konform gingen. Nichts wir k lich Ketzerisches. Ich würde es eher unkonventionell ne n nen, aber er hat sich dadurch den Zorn der Dogmatiker in der Kurie zugezogen. Oder vielleicht trifft es die Bezeic h nung ›biblisch-urchristlich‹ noch genauer, wenn du ve r stehst, was ich meine.«
    »Die heilige Mutter Kirche fürchtete, an ihrer Brust einen kleinen Martin Luther zu säugen? Ist es das, was du sagen wolltest?«
    »Der Bursche gefällt mir«, sagte unvermittelt eine heisere Stimme in etwas holperigem, jedoch klar verständlichem Deutsch, das eindeutig nicht aus Lauras Mund kam. Übe r rascht wandte sich Nico einem Mann in schwarzem Talar zu.
    »Padre Giacomo!«, quietschte das Mädchen und stürzte auf den kleinen, rundlichen Priester zu, der an der Pforte seines Pfarrhauses stand. Als es ihn umarmte, überragte es ihn um mindestens einen Kopf. Sein Haupt war unbedeckt – in jeder Hinsicht. Wieder spürte Nico jenen Neid, der ihn jedes Mal überkam, wenn Laura andere so sehr viel ung e stümer willkommen hieß als ihn.
    »Und der junge Bursche mit dem respektlosen Mundwerk ist dann wohl dein Freund, den du mir am Telefon ang e kündigt hast?«, fragte der Priester. Er besaß lebhafte du n kelblaue Augen und erstaunlich lange Ohrläppchen, die bei jeder Bewegung des kahlen Kopfes wie extravagante Schmuckstücke schlenkerten.
    »Ja. Er heißt Niklas Michel«, antwortete Laura stolz.
    Nico näherte sich schüchtern der ihm entgegengestreckten Hand. Die Überraschung war Laura wirklich

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