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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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atembera u bend schöne Verkörperung des Argwohns.
    »Ich, äh …« Nico rang nach Worten. Allein die Vorste l lung, sie zu belügen, widerte ihn an. Nicht nach dem, was er gerade entdeckt hatte. Zu lange war er gespalten gewesen zwischen dieser Frau, die er mehr als jeden anderen Me n schen liebte, und ihrem Vater, dessen Bosheit er abgrun d tief hasste. Offenbar war dies die Nacht der unbequemen Entscheidungen.
    »Komm bitte zu mir«, sagte er leise zu ihr.
    Laura legte den Kopf schief. »Wieso, Niklas?«
    »Weil ich dir mit dem Telefon etwas beweisen möchte.«
    Sie schritt langsam durch den Raum. Er bemerkte, wie ihr Blick zu der Glasvitrine abschweifte. Verdächtigte sie ihn etwa des Diebstahls? Du bist ein Dieb – schon vergessen?, erinnerte ihn eine Stimme in seinem Kopf.
    »Die Lebensuhr liegt sicher an ihrem Platz.«
    »Wieso sollte sie nicht?« Das Mädchen blieb neben dem Schreibtisch stehen. Immer noch lag ein Ausdruck des Argwohns auf ihrem Gesicht.
    »Hast du schon einmal an einer großen Muschel g e lauscht, Laura?«
    »Wer hat das nicht?«
    »Was hast du gehört?«
    »Es klang wie das Rauschen des Meeres.«
    Nico nickte. Seine Stimme war jetzt leise und sanft. »Weshalb sagst du, es sei wie die See gewesen? Vielleicht hast du tatsächlich der Brandung gelauscht, oder vielmehr der Erinnerung, die deine Muschel noch daran hatte.«
    »Unsinn. Muscheln sind aus Horn und Kalkspat und was weiß ich nicht alles. Solches Zeugs hat kein Gedächtnis.«
    »So? Hast du noch nie die Spuren der Witterung auf e i nem Kalkfelsen gesehen? Die Archäologen können dir da r aus ganze Geschichten vorlesen. Oder ein paar Fußstapfen im Sand? Einem Fährtensucher verraten sie viel über ihren Urheber. Vielleicht hast du schon einmal ein Bild von der Wand genommen und durch den zurückbleibenden Fleck noch nach Tagen oder Wochen den Rahmen vor dir ges e hen. Glaube mir, Laura, selbst die Leblosen haben ein G e dächtnis. Wo nämlich Kräfte wirken, hinterlassen sie auch Spuren. Ich kann diese Fährte lesen.«
    Laura massierte mit den Händen ihre Oberarme. »Worauf willst du hinaus, Niklas?«
    Er hielt ihr die offene Rechte entgegen. Darin lag die Kapsel aus dem Hörer. »Das hier habe ich aus dem Telefon deines Vaters genommen. Bevor ich vorhin an seine Tür klopfen konnte, habe ich bruchstückhaft ein Gespräch mi t bekommen, das er …«
    »Du hast meinen Vater belauscht?«, unterbrach sie ihn entsetzt.
    »Bitte lass mich erst ausreden, bevor du dir ein Urteil bi l dest. Also, der andere Gesprächsteilnehmer ist dir bekannt. Es handelt sich um denselben Deutschen, der deinen Vater im September des letzten Jahres besucht hatte, als …«
    »Du ihn schon einmal belauscht hast.«
    »Wenn du es so sehen willst.«
    »Falls es anders war, kannst du es mir ja erklären«, gab sie spitz zurück.
    »Laura, ich verstehe dich ja, aber bitte versuche für einen Moment, dein Misstrauen zu vergessen.«
    »Wenn du mir endlich die Wahrheit sagst, Niklas.«
    »Zuerst lass diese Kapsel aus der Ohrmuschel zu dir spr e chen.«
    »Bist du jetzt verrückt geworden? Wie soll …?«
    »Bitte, Laura!«
    Sie verschränkte die Arme über der Brust und schwieg. Nico schraubte nun auch die andere Seite des Telefonhörers auf und entnahm ihr das Mikrofon, das sich kaum von dem Lautsprecher unterschied. Er legte die beiden Kapseln in jeweils eine Handfläche. »Ich werde jetzt den Part deines Vaters übernehmen, indem ich wiederhole, was er vor w e nigen Minuten in diese Kapsel gesprochen hat. Wenn ich eine Pause mache, wiederholst du, was du in meiner hohlen Hand hörst. Alles klar?«
    Sie schüttelte energisch den Kopf. »Nichts ist klar. Was soll dieser Hokuspokus?«
    »Glaube mir, Laura, es hat nichts mit Zauberei zu tun.«
    »Dann erkläre mir, was das soll.«
    »Kannst du mir genau erklären, wie dein Gehör oder de i ne Augen funktionieren? Niemand vermag das. Trotzdem vertrauen wir unseren Sinnen. Ich tue nichts anderes, o b wohl ich meine Gabe selbst nicht richtig verstehe. Sagen wir einfach, ich lasse die Energien frei, die sich in diesen beiden Kapseln eingelagert haben. Genügt dir das, um mir wenigstens für ein paar Minuten Vertrauen zu schenken?«
    Mit seiner Frage hatte Nico bei ihr einen empfindlichen Nerv getroffen. Schmollend erklärte sie sich zu dem »a b surden Experiment« bereit. Er hielt ihr die Hand mit der Lautsprecherkapsel ans Ohr und lauschte selbst ins Mikr o fon.
    »Den ersten Satz des Telefonats kann ich nicht mehr

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