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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gekümmert hat.«
    »Emma Pallotta? Die Obst- und Gemüsefrau?«
    Donatello strahlte. »Ja!«
    »Sie ist tatsächlich blutjung. Im Vergleich zu dir.«
    »Ich denke, wir sollten jetzt weitergehen.«
    Nico schulterte grinsend den Koffer und wankte hinter dem vorausstakenden Alten her.
    Nach einer Weile veränderte sich die Umgebung. Die gebrannten Ziegelsteine wichen porösen Wänden aus schwarzgrauem
    Gestein, das vor undenklichen Zeiten Vulkanasche gewesen war.
    Der geheime Fluchtweg weckte in Nico die Vorstellung an einen riesigen Bunker aus Gängen und Kammern, die sich scheinbar endlos aneinander reihten. Einige dieser von Menschenhand 354
    geschaffenen Höhlen mussten schon sehr alt sein, ihre Wände waren rau und durchaus nicht immer rechtwinklig aneinander gefügt. In einem größeren Raum sah er vermoderte Holzteile, die wohl einmal als Sperrwände benutzt worden waren, um
    das Getreide in den angrenzenden Speicherkammern zu hal-
    ten.
    Donatello bemerkte seinen staunenden Blick und sagte ver-
    gnügt: »Ich kann deine Gedanken lesen, junger Mann. Ja, jetzt sind wir unter der Piazza dei Pozzi di Grano.«
    »Das war wohl nicht so schwer«, brummte Nico. »Kennst du
    auch den Ausgang?«
    »Nein.«
    »Was?«
    »Ich wollte sagen, es gibt nicht nur einen Ausgang, sondern mehrere. Irgendeinen werden wir schon finden. Der bestimmte, den ich suche, ist allerdings ziemlich versteckt. Warte …« Donatello umfasste mit Zeigefinger und Daumen der Stockhand seinen Schnurrbart und zwirbelte daran herum. Zugleich drehte er sich langsam im Kreis. Plötzlich blieb er stehen und deutete in einen der Stollen. »Ja! Da müssen wir lang.«
    Etwa eine viertel Stunde später standen sie wieder in dem gro-
    ßen Raum. Nico hatte das Gefühl, seine Arme seien aufgrund des schweren Koffers inzwischen zehn Zentimeter länger geworden.
    Der Schweiß rann ihm in Strömen aus den Poren. Auch der Kammerdiener wirke nicht mehr ganz so munter.
    »Wenn wir noch lange hier unten herumirren, ist die Batterie in der Lampe alle«, murrte Nico.
    »Diese Bemerkung ist nicht besonders hilfreich«, erwiderte Donatello spitz.
    »Noch können wir in die Festung zurückkehren.«
    »Kennst du denn den Weg?«
    Nico verdrehte die Augen und ließ sich auf den Koffer sinken.
    Er ersparte sich und seinem Führer einen weiteren unprodukti-ven Kommentar.
    »Jetzt weiß ich es wieder!«, stieß Donatello unvermittelt her-355
    vor und eilte in eine andere Richtung davon. Mühsam hievte Nico das Gepäckstück hoch und hechelte hinterher.
    Diesmal hatten sie Erfolg. Nachdem sie sich und den Koffer durch einen schmalen Spalt gezwängt hatten, der nur eine Nische zu sein schien, stießen sie einmal mehr auf eine Treppe.
    »Wo führt die hin?«, fragte Nico.
    Donatellos Antwort klang geheimnisvoll. »Geradewegs in den Himmel.«
    Der Ausgang lag, wie sich rasch zeigte, in durchaus irdischen Regionen, im Boden einer Krypta. Um ihnen Zutritt zu dem
    Grabgewölbe zu verschaffen, musste Nico eine schwere Marmor-tafel hochstemmen, was ihn fast die letzte Kraft kostete. Ächzend zerrte er den Koffer in den dämmrigen, aus Steinplatten und Säulen bestehenden Raum und sank sichtlich erschöpft zu Boden.
    »Wo sind wir hier?«
    »Du weißt es wirklich nicht?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Du warst nie hier drin?«
    »Nein.«
    »Nicht mal bei der Festa della Nostra Signora delle Grazie ?«
    »Das ist ein christliches Fest. Ich feiere Sukkot und den Schabbat … Normalerweise.«
    »Oh! Ich war gedanklich bei Don Niklas, dem Christen, und nicht bei Nico dei Rossi, dem Juden.«
    »Beide sind Menschen.«
    »Amen. Um deine Frage zu beantworten: Wir befinden uns
    hier unter dem Hauptaltar von San Giovanni. Außer dem Erz-priester, Monsignor Nicola De Franceschi, kennt kaum jemand diesen geheimen Ausgang – als seinen Vertrauten hatte mich der Baron ebenfalls eingeweiht.«
    Nico hörte kaum noch zu. Der Name der Kirche war wie eine berauschende Droge, die ihn kurzzeitig taumeln ließ. Schräg über ihm befand sich der Palazzo Manzini. Laura war vielleicht nur wenige Meter von ihm entfernt – und doch unerreichbar.
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    »Ist dir nicht gut, Junge? Soll ich ein Stück den Koffer tragen?«, fragte der Diener zerstreut.
    »Ehrlich gesagt, wäre mir das lieber.«
    »Natürlich. Mir macht die Schlepperei nichts aus. Ich dachte, dir wäre nur ein wenig unwohl, aber anscheinend hat es dich schlimmer erwischt. Am besten, du legst dich sofort ins Bett.
    Emma wird dir …«
    »Vielleicht

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