Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
abgestoßenes Armband in das schummrige Licht hielt, um einen Vorwand zu haben, hinter mich zu blicken. Der Händler nannte mir einen Preis, der den Wert dieses Ramschs um das Zehn- oder Zwölffache überstieg. Ich tat so, als sei ich enttäuscht, und warf das Ding auf den Tisch zurück. Rasch griff er danach und hielt es mir vors Gesicht, um mir radebrechend die außergewöhnliche Qualität seiner Waren anzupreisen. Inzwischen war mein Verfolger so nahe gekommen, dass ich in der Lage war, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Herzog einen billigen Schlägertypen, wie dieser Rowdy ihn verkörperte, anheuern würde, und Ling Chi kam auch nicht infrage, da der Mann offenkundig kein Häretiker war. Natürlich gab es in der Stadt noch zahlreiche andere Leute, die nichts dagegen hätten, wenn mir etwas zustieße – irgendein Dealer, den ich übervorteilt hatte, oder ein Vermieter von Slumwohnungen, der der Ansicht war, ich sei eine Bedrohung für seine unsauberen Geschäfte. Nun, das würde sich früh genug herausstellen.
Bevor ich zu Mairi gegangen war, hatte ich mich nicht bewaffnet, da ich einen guten Eindruck machen wollte, aber um mit diesem mageren kleinen Arschloch fertigzuwerden, brauchte ich keine Waffe. Einen Dreckskerl aus dem Hinterhalt zu überfallen wird nur noch dadurch getoppt, dass man einen Dreckskerl überfällt, der die Absicht hat, einen hinterrücks zu überfallen. Ich schlüpfte an dem Händler vorbei, lief eine Gasse hinunter und beschleunigte meinen Schritt, als ich um die Ecke bog …
… um sogleich zu Boden zu gehen. Nach dem harten Schlag, den ich auf den Kopf erhalten hatte, verschwamm mir alles vor den Augen, sodass ich die über mir aufragende Gestalt im ersten Moment gar nicht erkannte.
Aber nur im ersten Moment.
»Hey, Crowley.«
»Hey, du Schwuchtel.«
Ich versuchte, ihn bei den Fußgelenken zu packen, doch meine Bewegungen waren zu langsam und unbeholfen, und Crowley unterband weitere Gedanken an Gegenwehr, indem er mir in die Rippen trat.
Ich sackte gegen die Mauer, inständig hoffend, dass bei dem Tritt kein Knochen zu Bruch gegangen war. Der Schmerz in meiner Seite verriet mir jedoch, dass eine solche Zuversicht unbegründet war. Keuchend rang ich nach Luft. Crowley besaß die Güte, seine Schläge und Tritte vorübergehend einzustellen und sich mit einem extrem unfreundlichen Grinsen zu begnügen. »Du kannst wohl nicht rechnen?«, stieß ich hervor. »Ich habe noch fünf Tage, Crowley. Fünf Tage. Wenn so große Zahlen dich verwirren, dann zieh deinen Schuh aus und zähl an den Zehen nach.«
»Hab ich euch nicht gesagt, was für ein Witzbold er ist?«, sagte Crowley zu jemandem hinter sich. Erst da bemerkte ich, dass Crowley nicht allein gekommen war. Hinter ihm standen drei Männer, wohl kaum Ermittlungsbeamte, aber harte Typen, möglicherweise Schläger vom Syndikat – jedenfalls machten sie alle einen äußerst unfreundlichen Eindruck. Sie starrten mich mit Mienen an, die die Skala von gelangweilt bis hämisch durchliefen.
Ich hatte mich wie ein blutiger Anfänger übertölpeln lassen. Der Erste hatte sich gezeigt, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, während Crowley und die anderen auf der Lauer lagen. Beim Narbigen, wie hatte ich nur so dumm sein können?
»Hab ich vielleicht eine Uniform an, du Wanze?«, fragte Crowley. »Das hier hat nichts mit der Krone oder dem Alten zu tun.« Diese Aussage bekräftigte er, indem er mir gegen die Schulter trat. Vor Schmerz zuckte ich zusammen und biss mir auf die Zunge. »Heute ist mein freier Tag.«
»Dann war es also nur eine Laune des Schicksals, dass wir uns begegnet sind?« Ich hatte einen kupfrigen Geschmack im Mund und merkte, wie mir Blut am Kinn herunterlief.
»Würde ich nicht unbedingt so sehen. Könnte was damit zu tun haben, dass ich glaube, dass du endgültig ausgedient hast. Heute hat man eine weitere Leiche gefunden – diesmal einen Jungen.«
Der arme Avraham Mayana. »Tu doch nicht so, als würden dich die Opfer auch nur einen Deut interessieren.«
»Da hast du recht. Um die geht’s nicht.« Er schob seine viehische Visage an mich heran und blies mir seinen stinkigen Atem ins Gesicht. »Sondern um dich. Weil ich dich hasse. Das tu ich schon seit zehn Jahren, seit du mir damals bei dem Fall mit dem gefleckten Band mit deiner Besserwisserei in die Quere gekommen bist. Als der Alte letzte Woche die Anweisung gab, dich zu holen, hätte ich fast einen
Weitere Kostenlose Bücher