Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
du bist wie ich, ich bin wie du. Verstehst du das denn nicht?«
Sie vergrub das Gesicht an meiner Brust und schlang ihre schlanken Arme fest um meinen Oberkörper. Ich drückte ihr Kinn nach oben, damit sie mich ansah. »Du bist nicht wie ich. Überhaupt nicht.« Ihr Gesicht war von Tränen überströmt. Ich fuhr ihr mit den Fingern durch das dunkle Haar. »Um das sicherzustellen, habe ich dich damals Blaureiher übergeben.«
Sie stieß mich von sich und rannte weinend zum Bett. Es war besser so. Sie würde eine Zeit lang leiden. Aber das würde vorübergehen, denn sie war jung, und in späteren Jahren würde ihr die Erinnerung an dies hier nur noch ein wenig peinlich sein.
So leise und rasch wie möglich verließ ich ihr Zimmer, ging die Treppe hinunter und trat aus dem Turm. Dann kehrte ich in meine Penne zurück, um zwei Tage mit Saufen und Huren zu verbringen und jeden Kupferling von dem mageren Handgeld zu verpulvern, das mir die Krone für zukünftige Dienste gezahlt hatte. Als ich achtundvierzig Stunden später zu den Docks wankte, war ich total abgebrannt und hatte einen Brummschädel, als hätte mir ein Maulesel gegen die Schläfe getreten. Der ungünstige Anfang eines unergiebigen Unternehmens.
Was Celia und Blaureiher angeht – nun, ich schrieb ihnen, und sie schrieben mir. Doch wie alles andere in dieser verdammten Armee war auch die Postzustellung saumäßig, sodass ich die meisten ihrer Briefe nicht bekam und umgekehrt. Über fünf Jahre sollten vergehen, bis ich sie wiedersehen würde. In der Zwischenzeit hatte sich für alle von uns viel geändert – und wenig davon, fürchte ich, zum Guten.
31
Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Bett und blickte zu einem hauchdünnen Vorhang und den vier geschnitzten Pfosten hoch, über die er drapiert war. Irgendjemand hatte mich von meiner nassen Kleidung befreit und mir einen schlichten weißen Bademantel angezogen. Das quälende Kältegefühl und meine Erschöpfung waren wie weggeblasen. Stattdessen spürte ich eine wohlige Wärme in der Brust, die in alle Gliedmaßen ausstrahlte.
»Bin ich tot?«, fragte ich in den Raum hinein.
»Ja. Und jetzt bist du in Chinvat«, erwiderte Celias Stimme von außerhalb meines Blickfelds.
»Was habe ich denn getan, um die Ewigkeit umgeben von Spitzenvorhängen verbringen zu müssen?«
»Etwas Wunderbares, vermute ich.«
Das hörte sich gar nicht nach mir an. »Wie hast du mich denn hier hoch bekommen?«
»Natürlich mit Magie. Indem ich einen kleinen Zauber gewirkt habe.«
»Ich bin ein bisschen schwer von Begriff. Das liegt sicher an der Unterkühlung. Die hast du wohl auch weggezaubert, wie?«
Jetzt konnte ich sie aus den Augenwinkeln wahrnehmen. Sie setzte sich zu mir aufs Bett. »Ja, aber hauptsächlich ging es darum, dich aus deinen nassen Kleidern und vor ein Feuer zu bekommen. Du hast ungefähr eine Stunde geschlafen.« Sie zog meinen Kopf auf ihren Schoß. »Tut mir leid, dass ich dich hab warten lassen. Ich war gerade im Wintergarten, um ein Experiment durchzuführen, und habe dummerweise nicht vorausgesehen, dass du mich halb nackt und halb erfroren aufsuchen würdest.«
»Der Vizechef der Spezialabteilung hat Anstoß an meiner Körperhygiene genommen. Um ihn zu beschwichtigen, hab ich schnell im Kanal gebadet.«
»Ich dachte, du hättest das Schwarze Haus nicht mehr am Hals.« Ihr Talisman baumelte über ihrem Ausschnitt. Sie roch nach Sonnenschein und frischem Zimt.
»Offenbar habe ich mir einen solchen Hass zugezogen, dass mich selbst der Alte nicht zu schützen vermag. Außerdem kann ich nicht gerade behaupten, dass ich meinen Teil des Abkommens erfüllt hätte. Ein weiteres Kind ist umgebracht worden.«
»Hab ich schon gehört.«
»Und Crispin ebenfalls.«
»Das tut mir leid«, sagte sie.
»Wie geht’s Blaureiher?«
»Nicht gut. Er verfällt immer mehr.«
»Ich sollte ihn besuchen. Sobald ich mir eine Hose angezogen habe.«
»Das solltest du lieber lassen.«
»Ich trage immer eine Hose«, entgegnete ich. »Ohne eine Hose wüsste ich gar nichts anzufangen.«
Sie lachte leise und stand auf. »Ruh dich jetzt aus. Ich komme bald zurück, um nach dir zu sehen. Dann können wir uns weiter unterhalten.«
Ich wartete, bis sie das Zimmer verlassen hatte. Dann setzte ich mich auf – zu schnell, wie sich herausstellte. Mir wurde schwindlig, und mein Magen rebellierte, sodass ich schon befürchtete, ich würde Celias hübsches Bettzeug vollkotzen. Ich legte mich also wieder hin und
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