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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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erlebt, dass der Meister unflätige Wörter benutzte, und in Wut geriet er ebenfalls selten. Allmählich fragte ich mich, wie viel von seinem Verstand noch übrig sein mochte und ob die Gefahr bestand, dass er in seinem Wahn den Magierhorst samt Umgebung einäscherte.
    »Wer kann es fernhalten?«, fragte er, wobei sich Speichelspritzer in seinem zerzausten Bart verfingen. »Wer kann es ausbrennen?«
    Da ich meinen alten Mentor trösten wollte, sagte ich ohne jede Überlegung: »Ich. Ich werde mich darum kümmern – du kannst dich auf mich verlassen.«
    Er lachte. Ich hatte das ungute Gefühl, dass das kein irres Lachen war, sondern dass er mich durchaus erkannt hatte und sein Lachen einen Kommentar zu meiner Person darstellte. Ich wünschte, ich hätte den Mund gehalten.
    Das war’s, obwohl ich noch ein paar Minuten wartete, um ganz sicherzugehen. Blaureiher fiel wieder in seinen unruhigen Schlaf. Ich stöberte in seinem Schrank herum, wo ich eine schlecht sitzende Hose fand sowie ein Oberhemd, das mir bis zu den Knien ging und über der Brust spannte. Nachdem ich mir aus einer Kiste im Korridor ein Paar Stiefel gegriffen hatte, ging ich in die Küche hinunter.
    Celia stand am Herd und setzte gerade einen Kessel mit Wasser auf.
    »Kannst du dich noch erinnern, wie wir beide versucht haben, uns heiße Schokolade zu machen, und beinahe den Magierhorst in Brand gesetzt hätten?«, fragte ich.
    »Du hättest nicht aufstehen dürfen. Wenn du fünf Minuten später am Turm eingetroffen wärst, würde ich jetzt nicht das Abendessen zubereiten, sondern mich nach einer Grabstelle für dich umsehen.«
    »Das hast du vorhin nicht erwähnt.«
    »Ich wollte dich nicht beunruhigen. Aber da es dir ja Schwierigkeiten bereitet, Dummheit von Tapferkeit zu unterscheiden, hätte ich die Schwere deiner Verletzungen wahrscheinlich übertreiben sollen.«
    »Im Nachhinein weiß man immer alles besser. Wenn ich den Ablauf des Tages wiederholen könnte, würde ich mich bemühen, mich nicht zusammenschlagen zu lassen.«
    Dem verheerenden Ansturm meines Humors vermag niemandes Missbilligung lange standzuhalten. Der Kessel pfiff, und Celia goss sich eine Tasse Wasser ein, in die sie ein paar Teeblätter tat. Sie brauchte mich nicht erst zu fragen, um zu wissen, dass ich nichts davon wollte.
    »Ich habe mit dem Meister gesprochen«, sagte ich.
    »Ich habe mir schon gedacht, dass du dir die Hose bei ihm besorgt hast.«
    »Er hat mich für Roan den Grimmigen gehalten.«
    »Wie ich schon sagte, verfällt er immer mehr.« Sie seufzte. »Manchmal redet er mich mit dem Namen seiner Mutter an, manchmal verwechselt er mich mit Frauen, die er noch nie zuvor erwähnt hat.«
    Es war seltsam, sich vorzustellen, dass Blaureiher ein Vorleben gehabt hatte, bevor er zum Meister geworden war, dass er einst ein pickliger Jüngling gewesen war und in seiner Jugend ab und zu über die Stränge geschlagen hatte. »Was meinst du, wie viel Zeit ihm noch bleibt?«
    Celia blies sachte in den Tee, um ihn abzukühlen. »Nicht mehr viel«, erwiderte sie.
    Schweigend saßen wir beieinander. Ich rief mir in Erinnerung, dass ich zu viele andere Dinge im Kopf hatte, um mich innerlich mit Blaureihers bevorstehendem Tod auseinandersetzen zu können. Das war zwar brutal, aber wahr – wie viele Dinge. »Ich habe Nachforschungen angestellt«, sagte ich schließlich.
    »Und?«
    »Weißt du etwas über einen Magier namens Brightfellow? Er muss zu deiner Zeit auf der Akademie gewesen sein.«
    Ihr Mund wurde vom Rand der Tasse verdeckt, ihre Augen blieben ausdruckslos. Gleich darauf stellte sie die Tasse auf den Tisch. »Nicht viel«, sagte sie. »Er gehörte zu Adelweids Clique, die ständig in Bereiche vordrang, die eigentlich unerforscht bleiben sollten.«
    »Habe den Eindruck, du erinnerst dich an mehr, als du glaubst.«
    »Schon möglich«, erwiderte sie. »Wie ich dir bereits erzählt habe, waren wir eine kleine Gruppe. Ich kannte ihn nicht gut … wollte ich auch nicht. Er stammte aus einer der Provinzen, aus welcher, hab ich vergessen. Seine Eltern waren Bauern, und er hatte die fixe Idee, dass ihn die ganze Welt auslache, weil er in einem Stall aufgewachsen war. Hielt ständig nach jemandem Ausschau, dem er eine verpassen konnte. Er und Adelweid waren allerdings dicke Freunde.«
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich der eitle Fatzke, den ich bei der Belagerung von Donknacht kennengelernt hatte, viel mit Brightfellow abgegeben hatte. Aber abgesehen davon stimmte alles,

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