Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
Blaureiher damals anhand verschiedener Anzeichen herausfand, dass du Talent für Magie hast.«
»Das hat sicher nichts zu besagen«, antwortete Celia, ohne mich anzusehen. »Jede Mutter hält ihr Kind für etwas Besonderes.«
Wohl wahr. Ich verabschiedete mich von ihr und ging. Es war früher Abend. Der eisige Wind vom Vortag hatte sich gelegt, und alles um mich herum war in dichten grauen Nebel gehüllt. Es hätte noch viel zu erledigen gegeben, doch in meinem geschwächten Zustand blieb mir nichts anderes übrig, als mich zum Torkelnden Grafen zurückzuschleppen. Nachdem ich ein angebranntes Stück Rinderkamm hinuntergewürgt hatte, sank ich in mein Bett – das, wie ich verdrossen feststellte, wesentlich unbequemer war als Celias.
32
Als ich am nächsten Morgen erwachte, entdeckte ich an meiner Schulter eine Schwellung von der Größe eines halben Hühnereis. Ansonsten erinnerte nichts daran, dass ich keine vierundzwanzig Stunden zuvor knapp dem Tod entronnen war. Ich war zwar schon mit Heilmagie behandelt worden, aber das hier übertraf alles Bisherige. Blaureiher hatte Celia gut geschult.
Nachdem ich mir den Schlaf aus den Augen gerieben hatte und aufgestanden war, zog ich die unterste Schublade meiner Kommode heraus und betätigte den verborgenen Mechanismus, der die im Boden eingelassene Vertiefung freilegte. Ich entnahm dem Versteck ein paar Dutzend Fläschchen mit Koboldatem sowie diverse andere Drogen. Dann setzte ich mich an den Tisch und machte mich an die Arbeit, die langwierig war und mich fünfundvierzig Minuten in Anspruch nahm. Anschließend kleidete ich mich an und steckte meine Waffen zu mir. Wenn ich pünktlich zum Treffen mit dem Herzog kommen wollte, musste ich mich beeilen.
Zeisig saß unten am Tisch und hörte zu, wie ihm Adolphus irgendeinen Scheiß von früher erzählte. Es war schön, nach unten zu kommen, ohne mit der Neuigkeit empfangen zu werden, dass sich wieder eine entsetzliche Tragödie ereignet hatte.
»Ungelogen – ich habe mal auf einen Sitz einen ganzen Schinken gegessen.«
»Kann ich bestätigen, ich war nämlich dabei. War ebenso eindrucksvoll wie grotesk. Danach hat er anderthalb Monate lang nach Schweinefleisch gestunken. Die Dren nannten ihn das Varken van de duivel und sind beim Geruch von Kochschinken in Ohnmacht gefallen.«
Adolphus lachte schallend, selbst Zeisig deutete ein Grinsen an.
Das Teufelsschwein stand auf und wischte sich die Hosen ab. »Soll ich Adeline sagen, dass sie dir Frühstück macht?«
»Geht leider nicht. Ich bin spät dran.«
»Ich hol meine Jacke«, sagte Zeisig.
»Nicht nötig. Hier drin ist es warm genug.«
Er blitzte mich wütend an. »Ich komme aber mit.«
»Irrtum. Du bleibst hier und leistest Adolphus Gesellschaft. Trotzdem interessant, was für eine blühende Phantasie du hast.« Der finstere Blick, den er mir zuwarf, prallte an mir ab. Es gab schon genug Leute, die versuchten, mich umzubringen, da konnte ich mir nicht auch noch Gedanken über den Zorn eines Halbwüchsigen machen.
Der Nebel vom Vortag hatte sich verzogen, und die Luft war von jener kristallenen Klarheit, die gemeinhin Schnee ankündigt. Ich bog in die Pritt Street ein und ging in Richtung Altstadt. Ich würde ein paar Minuten zu spät zu meiner Audienz bei Beaconfield kommen. Aber damit konnte ich leben – im Umgang mit Blaublütern sollte man ruhig ein bisschen unhöflich sein. Das erinnert sie daran, dass sie nicht der Nabel der Welt sind, für den sie sich so gern halten. Unterwegs fing es heftig an zu schneien. Ich beschleunigte meinen Schritt und versuchte, mir für die nächste Stunde einen Plan zurechtzulegen.
Seton Gardens ist ein hübscher kleiner Park am Rande der Stadt. Er liegt in der Nähe der alten Stadtmauern, nördlich der Asher-Enklave. Gepflasterte Alleen führen durch die mit Bäumen bestandene Anlage, die einen grünen Klecks im grauen Häusermeer darstellt und weit genug von den Slums entfernt ist, um Gesindel fernzuhalten. Im Zentrum des Parks steht ein wunderschöner Springbrunnen aus Granit, daneben befindet sich eine seltsam geschnittene Grünfläche, die nicht so recht zum Rest der Anlage passt und deren Zweck einem gewöhnlichen Besucher schleierhaft sein dürfte. Morgens ist der Park meist menschenleer, da er zu weit außerhalb liegt.
Doch bisweilen wird seine friedliche Einsamkeit gestört. Dann blitzen hier Klingen, dann werden seidene Hemden durchbohrt. Schon lange war es Brauch, die Anlage als Kampfplatz zu nutzen, auf dem
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