Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
Familie Trost zuteilwerden lässt, und auch Lizben werde ich eine Kerze weihen, damit die Seele des Mädchens den Weg nach Hause findet. Aber offen gestanden verstehe ich nicht, was dich das angeht. Soll sich doch die Krone darum kümmern.«
»Tja, Celia – das hört sich an, als wäre es von mir.«
Sie errötete abermals, diesmal, weil sie sich schämte.
Ich trat auf eine riesige Pflanze zu, die in voller Blüte stand und aus einem fernen Winkel der Erde stammte. Sie verströmte einen schweren, süßlichen Geruch. »Bist du hier glücklich? Stellt es dich zufrieden, in seine Fußstapfen zu treten?«
»Ich werde nie seine Meisterschaft erlangen. Aber es ist eine Ehre, die Erbin Blaureihers zu sein. Ich studiere Tag und Nacht, um mich dieses Privilegs würdig zu erweisen.«
»Strebst du danach, an seine Stelle zu treten?«
»Natürlich nicht. Niemand könnte den Meister ersetzen. Aber er wird nicht ewig hier sein. Jemand muss dafür sorgen, dass sein Werk fortgesetzt wird. Das weiß der Meister, und das ist auch einer der Gründe, warum ich im Rang erhöht werden soll.« Sie reckte das Kinn, halb selbstbewusst, halb herrisch. »Wenn die Zeit kommt, werde ich bereit sein, die Menschen der Unterstadt zu schützen.«
»Allein im Turm? Hört sich sehr einsam an. Blaureiher war schon über sein mittleres Alter hinaus, als er sich hierher zurückzog.«
»Dass ich Opfer bringe, gehört zu der Verantwortung, die ich haben werde.«
»Was ist aus deiner Anstellung im Amt für magische Angelegenheiten geworden?«, fragte ich. Diese Position hatte sie innegehabt, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen hatten. »Soweit ich mich erinnere, schien es dir dort zu gefallen.«
»Mir ist klar geworden, dass ich größere Ambitionen habe, als den Rest meines Lebens damit zu verbringen, Akten zu sortieren und mich mit Funktionären und Bürokraten herumzustreiten.« Ihr Blick wurde eisig, ein unschöner Kontrast zu der Freundlichkeit, die sie bisher an den Tag gelegt hatte. »Wenn du dir in den letzten fünf Jahren die Mühe gemacht hättest, mit mir zu reden, wärst du mit dem Ziel, das ich mir gesteckt habe, vertrauter.«
Das ließ sich nicht leugnen. Ich wandte mich wieder der Pflanze zu.
Celias Wut verrauchte, und im Nu war sie wieder so freundlich wie zuvor. »Aber genug davon. Wir haben viel nachzuholen! Was treibst du denn jetzt so? Und wie geht es Adolphus?«
Es nützte niemandem von uns etwas, diese Sache in die Länge zu ziehen. »Es war schön, dich zu sehen. Es ist tröstlich zu wissen, dass du dich immer noch um den Meister kümmerst.« Und dass er sich immer noch um dich kümmert.
Ihr Lächeln wurde zittrig. »Kommst du morgen wieder? Komm doch zum Abendessen. Wir werden einen Teller für dich hinstellen, wie in alten Zeiten.«
Ich klopfte gegen ein Blütenblatt der Blume, die ich gerade anstarrte. Blütenstaub flog auf. »Leb wohl, Celia. Lass es dir so gut wie möglich ergehen.« Bevor sie etwas sagen konnte, war ich zur Tür hinaus. Als ich unten ankam, rannte ich praktisch. Ich stieß die Tür des Turms auf, um Hals über Kopf zu fliehen.
Als ich den Platz des Frohlockens hinter mir gelassen hatte, lehnte ich mich in einer Gasse an die Mauer und fummelte in meinem Beutel herum, um die Flasche mit Koboldatem herauszuholen. Meine Hände flatterten so, dass ich es kaum schaffte, die Flasche zu entkorken und sie mir unter die Nase zu halten. Langsam atmete ich zweimal hintereinander tief ein.
Auf unsicheren Beinen schleppte ich mich zum Torkelnden Grafen zurück. Jeder Rowdy, der mich hätte überfallen wollen, hätte jetzt leichtes Spiel mit mir gehabt. Aber es war keiner in der Nähe. Nur ich war da.
7
Der Junge saß Adolphus gegenüber am Tisch. Schon von Weitem verrieten mir Adolphus’ ausladende Gesten und sein breites Grinsen, dass er gerade eine Anekdote erzählte.
»Da sagt der Leutnant: Wie kommen Sie darauf, dass in dieser Richtung Osten liegt? Darauf der andere: Weil mir die Morgensonne in die Augen scheint. Vielleicht blendet mich aber auch Ihr funkelnder Verstand. Falls ja, dann würden Sie wissen, wie man einen Kompass bedient. « Adolphus brach in brüllendes Gelächter aus, wobei sein voluminöses Gesicht wie Sülze wackelte. »Das muss man sich mal vorstellen! All das vor dem gesamten Bataillon! Der Leutnant wusste nicht, ob er sich in die Hosen scheißen oder den Mann vors Kriegsgericht stellen sollte!«
»Hör mal, mein Junge«, fiel ich Adolphus ins Wort. Zeisig schraubte sich
Weitere Kostenlose Bücher