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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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und ich hoffe auch, dass dies nicht dein letzter Besuch bei mir war. Ich habe dich vermisst – und die Probleme, die du bei mir ablädst, wie eine streunende Katze, die eine tote Taube anschleppt.«
    Ich erwiderte sein Lächeln und wandte mich zur Tür, doch er rief mich in strengem Ton zurück. »Celia möchte dich sehen, bevor du gehst.« Ich gab mir alle Mühe, bei ihrem Namen nicht zusammenzuzucken, was mir vermutlich aber nicht gelang. »Sie ist im Wintergarten. Du weißt, wie du dorthin kommst.« Das war keine Frage.
    »Wie geht es ihr?«
    »In ein paar Wochen wird sie in den Ersten Rang erhoben. Eine große Ehre.«
    Zauberer Ersten Ranges war der höchste Grad, den ein Magier erreichen konnte. Diese Position hatten etwa zwanzig Magier im Reich inne, die dem Land allesamt große Dienste erwiesen hatten – oder den richtigen Leuten gefällig gewesen waren. Blaureiher hatte völlig recht. Das war eine große Ehre, besonders in Celias Alter. Aber er hatte meine Frage nicht beantwortet. »Und wie geht es ihr?«
    Blaureiher wandte den Blick ab. Eine andere Antwort brauchte ich nicht. »Gut«, sagte er. »Es geht ihr … gut.«
    Ich ging die Treppe hinunter, bis ich die unter dem Dachgeschoss liegende Etage erreicht hatte und vor einer Tür aus Milchglas haltmachte. Ich widerstand der Versuchung, die Flasche Koboldatem aus meinem Mantel zu holen und rasch daran zu schnüffeln. Es war besser, die Sache schnell und nüchtern hinter sich zu bringen.
    Wie alles im Magierhorst war auch der Wintergarten wunderschön. In dieser schwülen Umgebung gediehen Pflanzen aus den Dreizehn Landen, deren Farbspektrum aufs Schönste mit dem Blau der Wände harmonierte. Hellviolette Stängel von Königinnenfingern ragten zwischen den orangefarbenen Ranken der Lindwurmhaut empor, die Blüten der Daevasveilchen erfüllten den ganzen Raum mit ihrem Duft, und das waren bei Weitem nicht die seltsamsten Dinge, die in dieser feuchten Treibhaushitze wuchsen.
    Sie hörte mich kommen, ließ sich jedoch nicht dabei stören, einem kleinen Farn in der Ecke aus einer filigran gearbeiteten Silberkanne Wasser zu geben. Sie trug ein blaues Kleid, das über ihrem Gesäß spannte und kaum die Schenkel bedeckte. Als sie sich aufrichtete, rutschte es jedoch bis zu den Knien herunter. Dann drehte sie sich mir zu, sodass ich ihr Gesicht sehen konnte, die weichen braunen Haare und die dunklen, mandelförmigen Augen – trotz all der Jahre, in denen wir keinen Kontakt gehabt hatten, war es ein vertrauter Anblick. Um ihren wohlgeformten honigfarbenen Hals schlang sich eine billige Kette, an der ein lackiertes Holzmedaillon hing, durch das sich ein Stück Schnur zog. Auf der Vorderseite prangten kirenische Schriftzeichen.
    »Du bist zurückgekehrt.« Ihrem Ton ließ sich nicht entnehmen, was sie dabei empfand. »Lass mich dich ansehen.« Sie hob die Hände bis in Höhe meines Gesichts, als wollte sie mich liebkosen oder mich schlagen. Beides wäre angebracht gewesen. »Du bist gealtert«, sagte sie schließlich und strich, sich für Ersteres entscheidend, mit den Fingern über meine schwielige Haut.
    »Man sagt, das sei der Zahn der Zeit.« Doch während die Jahre deutliche Spuren in meinem Gesicht hinterlassen hatten, hatte sich das Verstreichen der Zeit bei ihr nur positiv ausgewirkt.
    »Das sagt man in der Tat.« Als sie lächelte, kam etwas von dem Mädchen, das sie einmal gewesen war, zum Vorschein, in der offenen, freundlichen Art, in der sie mich ansah, und in der Bereitwilligkeit, mir zu vergeben, dass ich mich so lange nicht hatte blicken lassen, sowie in dem Licht, das sie ohne es zu wollen ausstrahlte. »Nachdem du das Schwarze Haus verlassen hattest, bin ich einen Monat lang jeden Tag zum Torkelnden Grafen gegangen. Adolphus sagte jedes Mal, du seist nicht da. Nach einer Weile habe ich meine Besuche dann eingestellt.«
    Ich gab keine Antwort, weder um sie darüber aufzuklären, wie ich aus dem Dienst der Krone ausgeschieden war, noch um meine Abwesenheit zu erklären.
    »Fünf Jahre lässt du dich nicht bei uns blicken, verschwindest völlig, ohne ein Wort, ohne uns Nachricht zu geben.« Sie schien nicht wütend zu sein, nicht einmal traurig. Die Wunde schmerzte nicht mehr, war aber noch sichtbar. »Und jetzt schaffst du es noch nicht einmal, mir eine Erklärung zu geben?«
    »Ich hatte meine Gründe.«
    »Das waren schlechte Gründe.«
    »Schon möglich. Ich treffe viele falsche Entscheidungen.«
    »Da will ich dir nicht widersprechen.« Eine

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