Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
ich ihn so fertigmachen, dass sich das, was ich Hasenscharte angetan hatte, im Vergleich dazu wie eine Liebkosung ausnahm. Bei allem, was heilig war, er würde langsam und qualvoll sterben.
8
Acht Stunden und sechs Ockerlinge später war ich meinem Ziel um nichts näher gekommen. Von der Broad bis zur Light Street hatte ich jedes Unternehmen, das starke Lösungsmittel herstellte oder verwendete, aufgesucht, ohne jedoch auf den geringsten Anhaltspunkt zu stoßen. Gewöhnlich reichten ein paar Kupferlinge aus, um an Informationen zu gelangen. Wenn das nichts fruchtete, zückte ich ein Stück Papier, auf dem stand, ich sei Angehöriger der Stadtwache, und stellte meine Fragen mit mehr Nachdruck. Es war recht einfach, Antworten zu bekommen – es ist immer einfach, Antworten zu erhalten, die zu nichts führen.
Kurz nachdem ich vom Torkelnden Grafen aufgebrochen war, hatte sich Zeisig zu mir gesellt. Er schloss sich mir einfach an, ohne ein Wort zu sagen, geschweige denn sein Verschwinden zu erklären. Nach einer Weile wurde er zappelig. Vermutlich hatte er nicht damit gerechnet, dass es sich als so langweilig erweisen würde, für mich zu arbeiten. Mir gefiel das, was wir machten, ebenso wenig wie ihm. Je länger die Suche dauerte, desto absurder kam es mir vor, dass ich mich bei dieser Ermittlung auf meinen Geruchssinn verlassen hatte. Und mir wurde immer bewusster, dass einer der Vorteile meiner eigentlichen Tätigkeit darin bestand, dass die Leute mich aufsuchten und nicht umgekehrt. Doch die Erinnerung an das tote Mädchen und meine angeborene Hartnäckigkeit bewirkten, dass ich weitermachte und wider alle Vernunft auf einen Durchbruch hoffte.
Ich befragte eine verhutzelte Alte, deren graues Gesicht während des ganzen Gesprächs nicht die geringste Gemütsbewegung zeigte. Nein, keine ihrer Arbeiterinnen war in den letzten drei Tagen abwesend gewesen. Sie hatte nur zwei, und die arbeiteten sechs Tage in der Woche von Sonnenaufgang bis Mitternacht. Was sie erzählte, war so dürftig, dass es nicht einmal die drei Kupferlinge, die ich ihr gab, wert war.
Ich trat aus dem winzigen Laden in das Licht des Spätnachmittags hinaus. Gerade als ich mit dem Gedanken spielte, die Sache abzublasen und zum Torkelnden Grafen zurückzukehren, wechselte der Wind die Richtung und trug einen vertrauten Geruch heran. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Zeisig bemerkte es und hob neugierig den Kopf. »Was ist los?«, fragte er, doch ich ignorierte ihn und ging der Brise entgegen.
Der beißende Geruch wurde immer stärker, bis er fast unerträglich wurde. Nach ein paar Minuten wurde mir klar, warum. Vor uns erhob sich eine riesige Leimfabrik. Vom steinernen Pförtnerhaus blickte man auf einen weitläufigen Hof, wo zahllose Kirener Knochen und Mark in Kessel mit kochendem Wasser warfen. Ich war nahe dran. Ich öffnete das Tor und trat ein, gefolgt von Zeisig.
Sobald ich meine gefälschten Papiere gezückt hatte, verwandelte sich der Manager in einen Ausbund an Liebenswürdigkeit und Servilität. Ich sprach absichtlich nicht so gut Kirenisch, wie ich es eigentlich konnte. »Arbeiter, alle hier letzte drei Tage? Irgendeiner nicht?« Ich legte einen Silberling auf den Tisch, was die Augen des Mannes aufleuchten ließ. »Wichtige Information, guter Preis.«
Sein Gewissen brauchte eine halbe Sekunde, um zu rechtfertigen, dass er einen Angehörigen seiner Rasse an einen Fremden verriet. Die Münze verschwand, und er zeigte unauffällig auf einen Mann im Hof.
Der Kerl war größer als ich, größer und massiger als die meisten Kirener, die ich kannte. Die Häretiker sind eher klein und drahtig. Er trug einen riesigen Sack mit Knochenmehl zu einem der Tröge im Hof. Seine Bewegungen hatten etwas Schwerfälliges und Stumpfes. Die rechte Seite seines Gesichts war blutunterlaufen, eine Verletzung, die durchaus von einem Mädchen stammen konnte, das sich verzweifelt dagegen gewehrt hatte, vergewaltigt zu werden. Natürlich konnte sie auch tausend andere Ursachen haben.
Aber das war nicht der Fall.
Ich spürte, wie jene Erregung in mir aufstieg, die ich von früher kannte, als ich noch Ermittlungsbeamter gewesen war. Das war der Täter. Selbst auf diese Entfernung verriet sein viehischer Gesichtsausdruck, was er getan hatte. Ein Grinsen stahl sich auf meine Lippen, ein ganz besonderes Grinsen, das sich nicht mehr gezeigt hatte, seit ich meines Amts im Dienst der Krone enthoben worden war. Ich atmete tief durch und unterdrückte ein
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