Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
er durchaus Beachtung.
Außerdem starrte er mich unverhohlen an, seit ich zur Tür hereingekommen war, wobei ein spöttisches Lächeln um seine Lippen spielte, als wüsste er etwas Schändliches von mir und genösse es, sein geheimes Wissen wie ein Damoklesschwert über mich zu halten.
Wer auch immer er sein mochte, ich hatte kein Interesse daran, auf sein Verhalten zu reagieren. Deshalb stellte ich all meine Beobachtungen aus den Augenwinkeln an. Doch ich behielt ihn so weit im Blick, dass ich sah, wie er sich unbeholfen von der Seite an mich heranpirschte.
»Kommen Sie oft hierher?«, fragte er und gab ein glucksendes Lachen von sich. Er sprach mit deutlichem Akzent, und sein Lachen war so hässlich wie alles andere an ihm.
Ich schenkte ihm das abwesende Lächeln, das man aufsetzt, wenn man die Bitte eines Vagabunden um Kleingeld ablehnt.
»Was ist los? Bin ich nicht vornehm genug, um sich mit mir zu unterhalten?«
»Ist nicht persönlich gemeint. Ich bin taubstumm.«
Er lachte von Neuem. Bei den meisten Menschen ist Heiterkeit zumindest eine harmlose Eigenschaft, wenn nicht sogar eine angenehme. Doch das Gackern dieses Fremden tat den Ohren weh, als riebe man mit einem groben Stück Tuch über eine offene Wunde. »Sie sind ja ein richtiger Witzbold.«
»Bin immer gern bereit, auf einer Party für Stimmung zu sorgen.«
Er war jünger, als ich ursprünglich angenommen hatte, sogar jünger als ich, doch ein liederlicher Lebenswandel hatte ihn frühzeitig altern lassen, sodass seine Haut grau und sein Gesicht von Furchen durchzogen war. An seinen Fingern steckten diverse Ringe, teils aus Silber, teils mit Steinen besetzt, die so bunt waren, dass ich ihre Unechtheit sofort erkannte. Der Firlefanz wies erneut darauf hin, dass er genug Geld, aber keinerlei Geschmack besaß. Sein Mund stand ständig offen, sodass ich seine schiefen, gelb verfärbten Zähne sehen konnte, zwischen denen hier und da ein Goldzahn aufblitzte. Sein Atem roch unangenehm nach gepökeltem Fleisch und Wodka.
»Ich weiß, was Sie denken«, sagte er.
»Dann hoffe ich, dass Sie nicht schnell beleidigt sind.«
»Sie denken, wie soll ich mich denn an diese heißen Puppen ranmachen, die hier rumschwirren, wenn mir dieser hässliche Dreckskerl das Ohr abkaut?«
Das dachte ich überhaupt nicht. Ich war geschäftlich hier, und selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte ich, so wie ich aussah, hier wohl kaum bei jemandem landen können. Und falls ich doch gehofft hätte, eine Braut zu finden, dann wäre dieser Typ, der da neben mir stand, dabei sicher nicht förderlich gewesen.
»Aber wissen Sie, diese Mösen …«, er fuchtelte mir wie ein Lehrer, der seinen Schüler tadelt, mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht herum, »… die sind doch gar nicht an Leuten wie uns interessiert. Wir sind nicht gut genug für die.«
Selbst nach meinen Maßstäben war das, was er da von sich gab, widerlicher Quatsch. Auf die eine oder andere Weise musste dieses Gespräch also schnellstens ein Ende finden. »Haben wir denn so viel gemeinsam, Sie und ich?«
»Wenn es um Frauen geht, haben wir eine Menge gemeinsam«, erwiderte er, indem er jedes Wort langsam und bedächtig aussprach.
»War fesselnd, mich mit Ihnen zu unterhalten«, antwortete ich. »Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt verschwinden würden.«
»Kein Grund, unhöflich zu sein. Ich komme, um von Mann zu Mann mit Ihnen zu reden, und Sie lassen mich abblitzen. Sie sind auch nicht anders als all diese verzärtelten, hochnäsigen kleinen Dreckskerle. Dabei hatte ich gedacht, wir könnten Freunde werden.«
Wir standen kurz davor, unangenehm aufzufallen, etwas, das man vermeiden sollte, wenn man in das Haus eines anderen Mannes gekommen ist, um ihm Drogen zu verkaufen. »Ich bin bestens mit Freunden und Bekannten ausgestattet. Die einzigen vakanten Stellen, die ich noch habe, sind für Fremde und Feinde vorgesehen. Entscheiden Sie sich lieber für Ersteres, um nicht zu Letzterem zu werden.«
Bis zu diesem Punkt hatte ich den Mann noch für harmlos, wenn auch zudringlich gehalten und angenommen, er ließe sich leicht abwimmeln. Doch meine Worte riefen ein bedrohliches Funkeln in seinen blutunterlaufenen Augen hervor.
»So wollen Sie’s also haben, ja? Ist mir auch recht. Ich bin schon vieler Männer Feind gewesen, wenn auch nie sehr lange.«
Ich ertappte mich bei dem Wunsch, alles rückgängig machen zu können. Doch nachdem ich ihm den
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