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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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ein. »Nach allem, was ich gehört habe, sind Sie ziemlich auf den Hund gekommen, sogar zu einem Drogensüchtigen geworden, der eines Tages in einer dunklen Gasse ein Messer zwischen die Rippen bekommen wird.«
    »Immerhin war ich scharfsinnig genug, um das erste Mädchen zu finden. Entweder Sie tun sich mit mir zusammen, oder Sie überlassen alles diesem Affen hier. Und wir beide wissen nur zu gut, dass diese Sache zu wichtig ist, um sie von ihm vermasseln zu lassen.«
    Das Lächeln des Alten wurde noch breiter, und ich wusste, dass seine nächsten Worte über mein Schicksal entscheiden würden, entscheiden würden, ob ich freigelassen und in seine Dienste treten würde oder ob mir eine Sitzung mit dem Verhörspezialisten und ein anonymes Grab bevorstand. Die Sekunden, die nun verstrichen, kamen mir unendlich lang vor. Rückblickend glaube ich, dass ich mich tapfer gehalten, will sagen: mir nicht in die Hosen gepisst habe.
    Er legte mir seine knorrige Hand auf die Schulter und drückte erstaunlich kraftvoll zu. »Sie werden mich nicht enttäuschen, mein Junge. Sie werden die Leute ausfindig machen, die diese armen Mädchen umbringen, und dann werden wir gemeinsam dafür sorgen, dass sie zur Verantwortung gezogen werden.« Crowley setzte an zu protestieren, doch auf einen Blick vom Chef hin machte er den Mund wieder zu. Mit der Behutsamkeit einer Mutter, die sich um das aufgeschrammte Knie ihres Kindes kümmert, schnallte der Alte eine der Armfesseln auf. Als er sich der zweiten zuwenden wollte, hielt er inne. »Für einen Mann mit Ihrer Intelligenz müsste, denke ich, eine Woche ausreichen, um festzustellen, wer für diese Gräueltaten verantwortlich ist.« Er schüttelte traurig den Kopf, als könnte sein sanftes Gemüt solch sinnlose Grausamkeit kaum fassen.
    »Zwei«, erwiderte ich. »Ich verfüge schließlich nicht über Ihre Hilfsmittel. Ich brauche Zeit, um meine Fühler auszustrecken.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde veränderte sich sein Gesichtsausdruck, und das Monster, das sich hinter der großväterlichen Fassade verbarg, kam zum Vorschein. Vor Schreck wäre ich fast zusammengezuckt.
    »Wir sehen uns in sieben Tagen wieder«, fuhr er mit unverändert freundlicher Stimme fort, um sich schon im nächsten Augenblick wieder menschlich zu geben und den zweiten Riemen aufzuschnallen. »Bringen Sie unseren lieben Freund raus, ja?«, sagte er zu Crowley. Nachdem er mich noch einmal strahlend angelächelt hatte, verließ er zusammen mit den anderen Ermittlungsbeamten den Raum.
    Crowley beobachtete, wie sich die Tür hinter dem Alten schloss, und biss so fest auf seine Zigarre, als würde er sie jeden Moment durchbeißen. Er dachte eine Weile darüber nach, was er sagen oder tun könne, um die Niederlage, die er erlitten hatte, wettzumachen. Als ihm nichts einfiel, drehte er sich um und ging.
    Der Verhörspezialist packte seine Utensilien mit leicht enttäuschtem Gesichtsausdruck wieder ein. Nachdem ich zu dem Schluss gekommen war, dass mich meine Beine tragen würden, stemmte ich mich hoch. »Haben Sie ’ne Zigarette?«, fragte ich meinen enttäuschten Folterer.
    Er schüttelte den Kopf, wobei die Spitze seiner Kapuze hin und her wackelte. »Ich rauche nicht«, erwiderte er, ohne den Blick von seinen Instrumenten abzuwenden. »Das ist ungesund.«
    »Was Sie nicht sagen.«
    Der Regen hatte inzwischen aufgehört, aber es war noch immer sehr kalt. Während ich mir die Handgelenke massierte, überlegte ich, wie viel von alldem der Alte geplant haben mochte. Die ganze Sache hatte theatralisch gewirkt – natürlich nicht für Crowley, der nicht eingeweiht worden war. Aber von jemandem, der so durchtrieben war wie der Alte, hätte ich eine weniger plumpe Inszenierung erwartet.
    Doch das spielte eigentlich keine Rolle. Auch wenn alles ein Trick gewesen sein sollte, um sich meine Mitarbeit zu sichern, machte ich mir keine Illusionen über die Frist, die mir der Alte gesetzt hatte. Das war sein blutiger Ernst. Ich ging nach Hause zurück, um mich zu bewaffnen und Pläne zu schmieden.

15
    Als ich in den Torkelnden Grafen zurückkam, stand Adolphus am Tresen und brütete mit verheultem Gesicht vor sich hin. Wahrscheinlich nahm er an, ich sei tot, was ja auch nicht ganz abwegig war. Ich freute mich, ihn eines Besseren belehren zu können. Er drehte sich um, als er die Tür aufgehen hörte, und bevor ich dazu kam, sie zuzumachen, hatte Adolphus mich schon in seine massigen Arme geschlossen und rief schluchzend nach Adele

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