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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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und Zeisig.
    Das war alles ein bisschen viel, zumal aller Wahrscheinlichkeit nach das Unvermeidliche nur aufgeschoben war und das Melodrama sich in einer Woche wiederholen würde. Doch da Adolphus glücklich zu sein schien, brachte ich es nicht übers Herz, etwas zu sagen, und entzog mich ihm erst, als er mir in seiner Begeisterung den Brustkorb einzudrücken drohte.
    Adeline war aus dem Hinterzimmer geeilt und drückte ihren rundlichen Körper an mich. Ich sah, dass hinter ihr Zeisig die Treppe herunterkam, wie gewöhnlich mit unbewegter Miene. »Freust du dich denn nicht, mich zu sehen? Oder hältst du es für was Alltägliches, wenn dein Wohltäter verhaftet und vor dem Lunch schon wieder freigelassen wird?«
    »Er hat gesagt, er mache sich keine Sorgen!«, erklärte der aufgekratzte Adolphus. »Weil er wisse, dass du zurückkommen würdest. Deshalb habe es keinen Sinn, sich aufzuregen.«
    »Schön, dass du solches Vertrauen zu mir hast«, sagte ich. »Aber eines solltest du dir merken: Dass dein Pferd gewonnen hat, heißt noch lange nicht, dass es klug war, darauf zu wetten.«
    Wenn es nach Adolphus gegangen wäre, hätte ich den Rest des Tages wie ein Fieberkranker warm eingepackt im Bett verbringen müssen. Doch da die Spur allmählich kalt wurde, war ein längeres Schläfchen nicht drin, sosehr mich die Vorstellung auch reizte. Nachdem ich Adolphus’ Versuch, mich zu bemuttern, abgeschmettert hatte, ging ich in mein Zimmer und holte einen langen schwarzen Kasten unter dem Bett hervor.
    Normalerweise habe ich keine Waffe dabei. So hielt ich es schon fünf Jahre, nämlich seit ich aus dem Dienst der Krone ausgeschieden war und nach dem verheerenden letzten großen Syndikatskrieg angefangen hatte, mir mein Geschäft aufzubauen.
    Eine Klinge zu tragen heißt, dass man irgendwann auch gezwungen ist, sie zu benutzen. Und Leichen sind schlecht fürs Geschäft. Es ist viel besser, zu jedermann freundlich zu sein, Bestechungsgelder rüberzuschieben und auf alles mit einem Grinsen zu reagieren, solange es irgendwie möglich ist.
    Und um die Wahrheit zu sagen, würde ich mir selbst nicht trauen, wenn ich eine Klinge dabeihätte. Wenn es zu einer hitzigen Auseinandersetzung kommt und man immer mehr in Rage gerät, geht gewöhnlich alles gut aus, sofern man unbewaffnet ist. Kann sein, dass der eine mit einem blauen Auge und der andere mit einer gebrochenen Nase den Kampfplatz verlässt, aber zumindest verlässt er ihn lebendig. Mit einem Schwert am Gürtel – nun ja, ich hab schon genug auf dem Gewissen. Da ist es wirklich nicht nötig, auch noch das Blut irgendeines armen Kerls zu vergießen, der mich schief ansieht, wenn ich gerade mit Koboldatem zugeknallt bin.
    Unter normalen Umständen rüste ich mich also nur dann mit einer Klinge aus, wenn ich weiß, dass ich sie brauchen werde. Aber die Umstände sind natürlich nicht immer normal, und obwohl man gegen das Wesen, das den Kirener getötet hatte, mit kaltem Stahl vermutlich ohnehin nichts auszurichten vermochte, war das bei dem, der es herbeizitiert hatte, vielleicht anders. Ich öffnete den Verschluss und klappte den Deckel der Kiste hoch.
    Ich habe schon viele Waffen kennengelernt, ein ganzes Spektrum an Waffen, das von den Sichelschwertern, wie die Priester der Asher sie tragen, bis zu den mit Juwelen besetzten Sauspießen, mit denen der Adel so gern herumspielt, reicht. Doch nach meinem Dafürhalten gab es nie ein perfekter konstruiertes Mordinstrument als die Grabenklinge. Sechzig Zentimeter lang, geht die einschneidige Klinge in ein Heft aus Sandelholz über und verjüngt sich zum Ende hin – seit dem Krieg war das die Waffe, die ich bevorzugte. Ich paradierte damit nicht herum, doch wenn ich in die Enge getrieben wurde und mit dem Rücken zur Wand stand, wollte ich nichts anderes als diese Waffe in der Hand haben.
    Diese hier hatte ich einem Dren abgenommen, in meinem dritten Monat in Gallia. In solchen Dingen waren uns die Dren immer weit voraus gewesen – an den Grabenkrieg passten sie sich so schnell an, als wären sie dafür geschaffen. Sie verzichteten kurzerhand auf all ihre funkelnden Rüstungen und gingen dazu über, spät in der Nacht mit Ruß getarnte Berserker, die uns mit Handäxten und Schwarzpulverbomben zusetzten, über die Mauern zu schicken. Unsere Obermimer hingegen teilten noch sechs Monate vor dem Waffenstillstand Säbel und Kavallerielanzen an uns Offiziere aus, obwohl ich in den fünf Jahren, die ich damit verbrachte, vor

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