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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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leid.« Das war eine der spaßigsten Eigenschaften Grenwalds – er kniff so verdammt schnell den Schwanz ein.
    »So lange ist das alles ja noch gar nicht her«, sagte ich.
    Um Zeit zu gewinnen und zu überlegen, warum ich gekommen war und wie er mich wieder loswerden konnte, hängte er Mantel und Hut an einen Garderobenständer neben der Tür. »Whiskey?«, fragte er, während er zu einer Bar in der Ecke ging und sich ein Glas vollschenkte.
    »Im Augenblick versuche ich gerade, vor dem Mittag keine harten Sachen zu trinken. Ich habe nämlich den Ehrgeiz, Abstinenzler zu werden. Aber tun Sie sich keinen Zwang an.«
    Was er auch nicht tat. Nachdem er sein Glas auf einen Zug geleert hatte, schenkte er sich einen weiteren Dreistöckigen ein und drückte sich an mir vorbei, um sich hinter seinen Schreibtisch zu setzen. »Ich dachte, nach dem letzten Mal …« Er schluckte schwer. »Ich dachte, wir wären miteinander fertig.«
    »Tatsächlich?«
    »Haben Sie nicht gesagt, wir seien quitt?«
    »Hab ich das?«
    »Nicht dass ich mich nicht freuen würde, Sie zu sehen.«
    Ich wehrte diese Bemerkung mit einer theatralischen Handbewegung ab.
    »Worum geht es denn diesmal?«
    »Vielleicht wollte ich nur mal vorbeischauen, um meinen ehemaligen Vorgesetzten kurz zu begrüßen«, sagte ich. »Steht Ihnen nie der Sinn danach, mit Ihren Offizierskameraden alte Zeiten auferstehen zu lassen?«
    »Natürlich, natürlich«, erwiderte er beflissen.
    »Wie kommt es dann, dass Sie solche Höflichkeitsbesuche nie erwidern? Sind Sie so hoch aufgestiegen, dass Sie Ihren ehemaligen Untergebenen vergessen haben?«
    Er stotterte etwas zusammen, das sich wie eine Entschuldigung anhörte, bevor er in Schweigen verfiel.
    Ich ließ ihn eine Weile schmoren, wobei ich mich stark zusammenreißen musste, um nicht in Lachen auszubrechen. »Doch wie es der Zufall so will, gibt es in der Tat etwas, bei dem Sie mir vielleicht helfen könnten, wie Sie so freundlich angeboten haben – obwohl ich zögere, Sie darum zu bitten, da Sie schon so viel für mich getan haben.«
    »Nicht der Rede wert«, erwiderte er kühl.
    »Können Sie sich noch an diese Operation vor Donknacht erinnern, am Tag vor dem Waffenstillstand?«
    »Vage.«
    »Ja, sicher war das nur von geringem Interesse für jemanden, der in der Hierarchie so weit oben stand wie Sie. Wenn man sich mit wichtigen strategischen und logistischen Problemen befassen muss, vergisst man leicht all die Scharmützel, die sich dem Gedächtnis der unteren Ränge eingeprägt haben.«
    Er gab keine Antwort.
    »Ich muss den Namen jedes Zauberers wissen, der an diesem Projekt beteiligt war – sowohl aktiv wie auch passiv beteiligt, sofern die Zauberer von jemandem geschult worden sind. Im Kriegsministerium gibt es sicher Unterlagen darüber.«
    »Nicht für so etwas«, entgegnete er sofort. »Das war eine geheime Aktion.«
    »Trotzdem gibt es darüber Unterlagen.«
    Er suchte nach einem Vorwand, um sich aus der Affäre zu ziehen. »Ich bin nicht sicher, ob ich darauf Zugriff habe. Die befinden sich zweifellos nicht im Archiv, wo die anderen Dokumente über den Krieg aufbewahrt werden. Wenn sie überhaupt irgendwo sind, dann werden sie in der Abteilung für geheime Dokumente unter Verschluss gehalten.«
    »Das sollte für einen Unterstaatssekretär der Armee kein Problem sein.«
    »Die Bestimmungen haben sich geändert«, entgegnete er. »Es ist nicht mehr wie in alten Zeiten. Ich kann nicht einfach ins Archiv gehen und es mit den Dokumenten unterm Arm wieder verlassen.«
    »Es wird so leicht oder so schwierig sein, wie es eben sein wird. Jedenfalls wird es gemacht.«
    »Ich … kann nichts garantieren.«
    »Es gibt keine Garantien im Leben«, erwiderte ich. »Aber Sie werden es versuchen, nicht wahr, Oberst? Und zwar mit aller Kraft.«
    Er trank seinen Whiskey aus, stellte das Glas auf den Tisch und schob mir sein Wieselgesicht entgegen. Der Alkohol tat seine Wirkung und verlieh ihm den Mut, den er in nüchternem Zustand nie aufbrachte. »Ich werde mein Möglichstes tun«, sagte er in einem Ton, der mich nicht gerade mit Zuversicht erfüllte. »Und dann sind wir quitt. Keine weiteren Überraschungsbesuche. Wir sind fertig miteinander.«
    »Wie drollig! Als ich das letzte Mal hier war, haben Sie das auch gesagt.« Ich drückte meine Zigarette auf seinem Schreibtisch aus, erhob mich und schnappte mir meinen Mantel. »Bis bald, Oberst.«
    Ich schloss die Tür hinter mir und ließ einen Mann zurück, der diese Bezeichnung

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