Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
kaum verdiente.
Seine Sekretärin, ein junges Ding, hübsch, aber dumm, die mich in Grenwalds Büro gelassen hatte, nachdem ich ihr eine erlogene Geschichte über den Krieg aufgetischt hatte, lächelte mich strahlend an. »Konnte der Oberst Ihnen bei Ihrem Rentenproblem helfen?«
»Leicht wird’s nicht sein, aber er wird das schon hinkriegen. Sie wissen doch, wie sehr dem Oberst seine Männer am Herzen liegen. Hat er Ihnen je erzählt, wie er mich drei Kilometer durch feindliches Gebiet getragen hat, nachdem ich einen Armbrustbolzen in den Schenkel bekommen hatte? Damals hat er mir das Leben gerettet.«
»Wirklich?«, fragte sie mit weit aufgerissenen Augen.
»Nein, natürlich nicht. Nichts von dem, was ich Ihnen erzählt habe, stimmte«, erwiderte ich, was die Wirrnis, die ohnehin in ihrem Kopf herrschte, noch größer machte. Dann verließ ich das Büro.
17
Als ich aus dem Gebäude trat, schloss sich mir der Junge ohne ein Wort zu sagen an. Die Unterredung war reine Zeitverschwendung gewesen – bei einem rückgratlosen Dummkopf wie Grenwald konnte ich mich nicht darauf verlassen, dass er Wort hielt. Dazu war die Sache aber zu wichtig, das Risiko, falls es nicht klappte, für mich zu groß. Das hieß, ich musste zu Plan B übergehen, und was diesen anging, so stand er aus einem ganz bestimmten Grund nicht an erster Stelle.
Weil Plan B Crispin mit einbezog, meinen einzigen Kontaktmann, der hochrangig genug war, um an die Informationen zu gelangen, und bei dem ich mir zumindest eine gewisse Chance ausrechnete, dass er Ja sagte. Nach unserer letzten Begegnung war mir der Gedanke, ihn um Hilfe zu bitten, zwar ziemlich zuwider, doch wenn es ums Überleben geht, muss aller Stolz zurückstehen. Deshalb schluckte ich ihn runter und machte mich zu der Stelle auf, wo man Adolphus zufolge die Leiche des Kindes gefunden hatte.
Ich wurde durch eine Stimme aus meinen Gedanken gerissen, die ich mit einer gewissen Verspätung als die Zeisigs erkannte. Ich glaube, das war das erste Mal, dass er unaufgefordert etwas sagte.
»Was ist passiert, als sie dich ins Schwarze Haus gebracht haben?«
Ich dachte ein Weilchen darüber nach, wie ich diese Frage beantworten sollte. »Ich bin wieder in den Dienst der Krone getreten.«
»Warum?«
»Weil sie an meinen Patriotismus appelliert haben. Für Königin und Land würde ich alles tun.«
Nachdem er dies geschluckt hatte, stieß er hervor: »Die Königin ist mir schnurzegal.«
»Ehrlichkeit ist eine weit überschätzte Tugend. Und wir alle lieben die Königin.«
Zeisig nickte weise, während wir den Kanal überquerten und auf den Tatort zugingen, wo hektische Betriebsamkeit herrschte.
In der Umgebung wimmelte es von Polizisten, die sich im Gegensatz zu ihrer sonstigen Unfähigkeit ordentlich ins Zeug zu legen schienen. Crispin stand neben der Leiche des Kindes, machte sich Notizen und erteilte Instruktionen. Unsere Blicke begegneten sich, doch er wandte sich wieder seiner Arbeit zu, ohne sich anmerken zu lassen, dass er mich wahrgenommen hatte. Ich sah auch Guiscard, der ein Stück weiter weg an einer Kreuzung Zeugen befragte, und erkannte einige der Jungs wieder, die mir beim letzten Mal eine Abreibung verpasst hatten und nun ziellos herumliefen. Offenbar lag es ihnen mehr, gewalttätig zu sein, als ein Gewaltverbrechen zu untersuchen.
»Bleib hier.«
Zeisig setzte sich auf das Geländer. Ich stürzte mich ins Gewusel, schlüpfte unter dem Absperrungsband durch und ging auf meinen ehemaligen Partner zu.
»Hallo.«
»Warum bist du hier?«, fragte er, ohne von seinem Notizbuch aufzusehen, das in schwarzes Leder gebunden war und in das er gerade etwas eintrug.
»Bist du denn nicht auf dem Laufenden? Ich habe dich so sehr vermisst, dass ich zum Alten gegangen bin und ihn angefleht habe, mich wieder einzustellen.«
»Ja, hab ich gehört. Crowley hat vor einer Stunde einen Boten hergeschickt. Ich dachte allerdings, du hättest der Spezialabteilung diesen ganzen Schrott nur erzählt, um Zeit zu gewinnen und schnellstens aus der Stadt zu verschwinden.«
»Du hast mich schon immer falsch eingeschätzt.«
Unvermittelt ließ Crispin das Notizbuch fallen und packte mich wütend beim Revers meines Mantels, ein außergewöhnliches Verhalten für jemanden, der sonst so beherrscht war. »Es ist mir egal, was für eine verdrehte Vereinbarung du mit dem Alten getroffen hast. Das ist mein Fall, und ich werde nicht zulassen, dass euer gegenseitiger Hass da mit reinspielt.«
Meine Hände
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