Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
schnellten hoch, um mein Revers von seinen Pranken zu befreien. »Für heute bin ich genug von Polizisten misshandelt worden. Und sosehr es mich freut, wenn die Krone entdeckt, dass auch südlich des Andel Menschen wohnen – sonderlich erfolgreich wart ihr bei der letzten Runde ja nicht gerade. Soweit ich es mitbekommen habe, besteht eure Beschäftigung hauptsächlich darin, um Leichen herumzustehen und verwirrt dreinzublicken.«
Eine unfaire Bemerkung, gewiss, aber zumindest schlug er daraufhin einen etwas anderen Ton an. »Was willst du von mir?«, fragte er.
»Zunächst mal möchte ich wissen, was hier Sache ist.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Die Leiche wurde von einem Fischhändler gefunden, der auf dem Weg zu den Docks war. Er benachrichtigte die Stadtwache, die wiederum uns benachrichtigte. Nach dem Zustand der Leiche zu urteilen wurde das Mädchen letzte Nacht getötet und am frühen Morgen hier abgeladen.«
Ich kniete mich neben das Kind und schlug die Decke zurück. Sie war jünger als die Erste. Ihr Haar hob sich dunkel von der bleichen Haut ab.
»Wurde sie … missbraucht?«
»Nein. Die einzige Verletzung ist die, die sie getötet hat, ein gerader Schnitt durch den Hals.«
Ich deckte die Leiche wieder zu und richtete mich auf. »Was sagt euer Seher?«
»Noch nichts. Übrigens ist es eine Seherin. Sie braucht einige Zeit, um den Körper zu untersuchen.«
»Ich würde gern mit ihr sprechen.«
Das schien ihm nicht zu passen, doch wie wir beide wussten, war seine Erlaubnis lediglich eine Formalität. Der Alte wollte, dass ich bei diesem Fall dabei war, und was der Alte sagt, ist Gesetz. »Guiscard soll später am Nachmittag in der Box vorbeischauen. Denke, du könntest dich ihm anschließen.«
»Das war das Erste«, sagte ich, »jetzt das Zweite. Ich möchte, dass du mir eine Liste besorgst, auf der jeder Zauberer aufgeführt ist, der damals in Donknacht, kurz vor Ende des Krieges, an der Operation Vorstoß teilgenommen hat. Die Unterlagen dürften tief vergraben sein, aber irgendwo werden sie sich finden.« Ich schüttelte wehmütig den Kopf. »Bei der Armee wird nun mal nichts weggeschmissen.«
Er starrte mich eine Weile an, dann senkte er den Blick. »Das sind militärische Unterlagen. Auf die habe ich als Ermittlungsbeamter der Krone keinen Zugriff.«
»Vielleicht keinen unmittelbaren. Aber nach zehn Jahren in deinem Beruf hast du doch sicher überallhin Verbindungen. Außerdem dürfte dir das blaue Blut, das durch deine Adern fließt, so manchen Vorteil verschaffen. Also erzähl mir nicht, da ließe sich nichts machen.«
Als er aufblickte und mich ansah, waren seine Augen klar wie Glas. »Warum bist du hier?«
»Wie meinst du das?«
»Warum bist du hier? Hier an dieser Stelle. Warum versuchst du, den Mörder dieses Mädchens zu finden?« Sein Zorn war verraucht, jetzt wirkte er nur noch müde. »Du bist kein Ermittlungsbeamter, du hast keinen offiziellen Status. Was geht dich das alles an?«
»Meinst du, ich hätte mich freiwillig gemeldet? Der Alte war drauf und dran, mich foltern zu lassen. Das war der einzige Ausweg für mich.«
»Hau ab. Verschwinde aus der Unterstadt. Wenn es der Alte ist, vor dem du Angst hast, dann nimm die Beine in die Hand und verschwinde. Ich werde dafür sorgen, dass deine Leute keinen Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt sind. Hauptsache, du machst dich davon.«
Ich scharrte mit dem Stiefel an einem losen Stein herum.
»Was denn? Keine witzige Erwiderung? Hat es dir die Sprache verschlagen?«
»Worauf willst du hinaus?«
»Geht es nur darum, uns zu beweisen, dass du wesentlich cleverer bist als wir? Steckt irgendein Plan dahinter, den ich nicht durchschaue? Verschwinde von hier. Du bist kein Ermittlungsbeamter. Wenn ich es richtig sehe, dann bist du sogar das absolute Gegenteil davon. Und falls dir die letzten fünf Jahre entfallen sein sollten, dann darf ich deinem Gedächtnis vielleicht auf die Sprünge helfen – du bist Junkie und Drogenbaron, du machst Väter und Mütter drogensüchtig und schlitzt jeden auf, der dir in die Quere kommt. Du bist zu alldem geworden, was du immer gehasst hast, und ich kann gut darauf verzichten, dass du mir meine Ermittlungen vermasselst.«
»Ich war der beste Detektiv, den ihr je hattet, und ich würde dir und allen anderen immer noch zeigen, wo’s langgeht, wenn ich denen da oben nicht auf die Füße getreten wäre.«
»Tu doch nicht so, als hätte es für dich eine Alternative gegeben. Kann ja sein, dass
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